Wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können, kommt ein Aufhebungsvertrag wegen Krankheit in Betracht. Hier erfahren Sie vom Anwalt für Aufhebungsverträge, was Sie dazu wissen müssen.
Autor: Georg Gradl
Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht in Starnberg
- Aufhebungsvertrag wegen Krankheit – 4 Tipps vom Fachanwalt
- Soll ich einen Aufhebungsvertrag wegen Krankheit unterschreiben?
- Abfindung im Aufhebungsvertrag aus gesundheitlichen Gründen
- Welche Leistungen erhalte ich nach dem Aufhebungsvertrag?
- Sperrzeit beim Arbeitslosengeld & Krankengeld verhindern
- Resturlaub im Aufhebungsvertrag wegen Krankheit auszahlen lassen
- Fazit
Aufhebungsvertrag wegen Krankheit – 4 Tipps vom Fachanwalt
Wir haben unzählige Mandanten zum Aufhebungsvertrag wegen Krankheit beraten. Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass es oft auf diese Tipps ankommt:
Unterschreiben Sie niemals sofort!
Oft schlägt das Unternehmen einen Vertrag vor, der für Sie nachteilig ist. Sie müssen dem Aufhebungsvertrag wegen Krankheit nicht zustimmen. Suchen Sie vorher den Rat eines Fachanwalts für Arbeitsrecht.
Verlangen Sie eine hohe Abfindung
Ein Aufhebungsvertrag wegen Krankheit enthält oft eine Abfindung. Dafür müssen Sie allerdings verhandeln. Das erste Angebot des Arbeitgebers ist meistens zu niedrig (mehr dazu).
Sperrzeit beim Arbeitslosengeld und Krankengeld vermeiden
Mit einem Aufhebungsvertrag riskieren Sie, dass Sie 12 Wochen lang kein Arbeitslosengeld oder Krankengeld erhalten. Eine solche Sperrzeit sollten Sie unbedingt vermeiden (mehr dazu).
Resturlaub auszahlen lassen
Wenn Sie lange krank waren, haben Sie viele ungenutzte Urlaubstage. Im Aufhebungsvertrag können Sie dafür hohe Beträge verlangen (mehr dazu).
2. Soll ich einen Aufhebungsvertrag wegen Krankheit unterschreiben?
Das hängt stark vom Einzelfall ab. Ein Aufhebungsvertrag hat viele Vor- und Nachteile. Drei Konstellationen kommen besonders oft vor:
Aufhebungsvertrag während Krankengeldbezug
Ein Aufhebungsvertrag kann sinnvoll sein, wenn Ihr Krankengeld bald endet.
- In den ersten sechs Wochen bezahlt Sie der Arbeitgeber grundsätzlich weiter (Entgeltfortzahlung).
- Anschließend beziehen Sie Krankengeld von der Krankenkasse für maximal 72 weitere Wochen.
- Endet auch dieser Zeitraum, kommt eine Erwerbsminderungsrente oder Arbeitslosengeld I in Betracht. Im äußersten Notfall geht es ans Ersparte oder in den Bezug von Bürgergeld.
Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. Juni 2016 – L 3 AL 130/14:
„[Die Klägerin] befand sich ausweislich des Befundberichts ihres behandelnden Arztes Dr. C… im Frühjahr 2012 wegen Depressionen und eines Erschöpfungszustands in ärztlicher Behandlung. Zudem war sie in dieser Zeit einige Wochen arbeitsunfähig geschrieben und stand auch aus Sicht ihrer Lehrerkollegen vor einem Zusammenbruch. Die Ursachen hierfür lagen nach den Angaben der Klägerin neben privater Probleme auch in Schwierigkeiten im Umgang mit der Schulklasse und den Eltern der Schüler. […]
Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen stellen aber nach Auffassung des Senats im Zeitpunkt der Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses keinen wichtigen Grund dar. Denn vor Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses ist der Arbeitnehmer vorrangig verpflichtet, mit dem Arbeitgeber bei Vorliegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen zunächst eine Lösung im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses zu finden.
Zwar ist nicht bekannt, ob und in welchem Umfang die Klägerin diesbezüglich an ihren Arbeitgeber herangetreten ist. Allerdings ergibt sich aus den Protokollen des Personalkreises vom 3. Mai 2012 sowie 24. Mai 2012, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen bekannt waren und Lösungen in Form von Entlastungen und Vertretungsregelungen gesucht wurden.
Hierzu gehört auch, dass in der Folge als Lösung die Freistellung ab Herbst mit Urlaubsansprüchen und ab 1. Januar 2013 ein Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses angeboten wurde.“
SG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juli 2018 – S 11 AL 4346/17 –:
„Ein wichtiger Grund ergibt sich zur Überzeugung der Kammer vorliegend nicht aus den von dem Kläger vorgebrachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen.[…]
So befindet sich der Kläger einerseits wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen lediglich in ärztlicher Behandlung bei der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. K.. Diese hat in ihrer ärztlichen Stellungnahme (ohne Ausstellungsdatum) ausgeführt, der Kläger leide seit 2012 an einem komplexen Tinnitusleiden, aber auf HNO-ärztlichem Fachgebiet liege keine bedeutsame Einschränkung vor. […]
Der Kläger hat sich entgegen dem Rat der Dr. K. auch nicht bei einem Psychotherapeuten vorgestellt. Vielmehr findet keine fachärztliche Behandlung auf psychiatrischem Fachgebiet statt, was gegen einen entsprechenden Leidensdruck spricht.
Zudem ergibt sich auch anhand der dokumentierten Krankheitszeiten des Klägers (Bl. 45 der Gerichtsakte) kein durchgreifender Anhalt für eine wesentliche Beeinträchtigung, die einen wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe darstellen könnte. So ist der Kläger ausweislich der Arbeitsunfähigkeitszeitenübersicht der Arbeitgeberin im Jahr 2017 lediglich vier Mal für die Dauer von ein bis drei Tagen arbeitsunfähig erkrankt gewesen (23.01.2017 – 25.01.2017, 06.04.2017 – 07.04.2017, 18.04.2017, 02.05.2017 – 04.05.2017). Eine hohe Anzahl von Fehlzeiten, die als Indiz für die vorgebrachten Gesundheitsbeeinträchtigungen sprechen würde, lässt sich nicht feststellen.“
Oft besteht das Arbeitsverhältnis im Krankengeldbezug noch. Wenn Sie dann wegen der Krankheit nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehren, kommt ein Aufhebungsvertrag in Betracht.
Vorteile:
- Wenn Sie (z.B. in einem anderen Beruf) arbeitsfähig sind und das Krankengeld bald ausläuft, können Sie nach einem Aufhebungsvertrag Arbeitslosengeld I beziehen. Dieses beträgt bis zu 67% des vorherigen Nettoeinkommens.
- Oft lässt sich eine Abfindung für Sie aushandeln. Ob und in welcher Höhe sie realistisch ist, hängt davon ab, wie sehr der Arbeitgeber an Ihrem Ausscheiden interessiert ist. Eine finanzielle Belastung sind Sie nach sechs Wochen Krankheit nicht mehr für ihn. Meistens möchte er aber zumindest Planungssicherheit über Ihre Stelle haben, um diese neu besetzen zu können. Je ungewisser das Ob und Wann Ihrer Rückkehr scheint, desto eher können Sie mit einer Abfindung rechnen.
Nachteile:
- Der Aufhebungsvertrag kann zu einer Sperrzeit führen. Sie erhalten dann meist 12 Wochen lang kein Krankengeld. Ausnahmen gelten, wenn Sie einen wichtigen Grund für den Aufhebungsvertrag haben (mehr zum Krankengeld nach einem Aufhebungsvertrag).
- Wenn Sie einen Aufhebungsvertrag abschließen, haben Sie keinen Kündigungsschutz. Sie können sich nachträglich nicht mehr gegen den Verlust Ihrer Stelle wehren.
Übrigens ist auch ein rückwirkender Aufhebungsvertrag wegen Krankheit unter Umständen möglich. Sie heben so den Arbeitsvertrag für die Vergangenheit auf. Voraussetzung ist allerdings, dass der Arbeitsvertrag zum rückwirkenden Beendigungszeitpunkt bereits außer Vollzug gesetzt war; das heißt, dass Sie zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr gearbeitet haben.
Meist ist der Arbeitgeber an einer solchen Rückwirkung interessiert. Lassen Sie deshalb genau prüfen, ob für Sie durch den rückwirkenden Aufhebungsvertrag Nachteile entstehen.
Arbeitgeber will eine schnelle Trennung
Gelegentlich bieten auch Arbeitgeber selbst einen Aufhebungsvertrag aus gesundheitlichen Gründen an. Dann sollten Sie auf eine hohe Abfindung bestehen.
Dazu kommt es tendenziell eher zu Beginn einer Krankheit oder bei vielen Kurzerkrankungen. Der Arbeitgeber will sich dann schnell und rechtssicher von Ihnen trennen. So kann er eine Kündigung vermeiden, die für ihn riskant und teuer ist.
Wegen dieses Risikos ist für den Arbeitgeber ein Aufhebungsvertrag attraktiv.
Das sollten Sie ausnutzen und eine hohe Abfindung verlangen! Nur dann ist ein Aufhebungsvertrag wegen Krankheit für Sie attraktiv. Ein Aufhebungsvertrag ohne Abfindung ergibt für Sie meist keinen Sinn. Wenn Sie dem Vertrag nicht zustimmen, muss der Arbeitgeber Sie schließlich weiter beschäftigen oder Ihnen kündigen. Greift er tatsächlich zur Kündigung, lässt sich spätestens vor Gericht meist eine Abfindung aushandeln.
Aufhebungsvertrag während Wiedereingliederung
Wer lange aus gesundheitlichen Gründen ausfällt, durchläuft häufig ein Programm zur Wiedereingliederung in den Betrieb. Sie sollen so schrittweise wieder an Ihren Arbeitsplatz zurückgeführt werden. Unter Beteiligung Ihres Arztes und der Krankenkasse wird ein Plan entworfen, der z.B. zunächst eine deutlich reduzierte Wochenarbeitszeit vorsieht.
Gelegentlich stellen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber während der Wiedereingliederung fest, dass Sie künftig doch nicht mehr zusammenarbeiten wollen. Sie können dann auch während der Wiedereingliederung einen Aufhebungsvertrag abschließen.
Während der Wiedereingliederung genießen Sie als Arbeitnehmer den üblichen hohen Kündigungsschutz. Daher sollten Sie einen Aufhebungsvertrag während der Wiedereingliederung nicht ohne anwaltliche Prüfung unterschreiben. Ebenso drohen Risiken beim Arbeitslosengeld und Krankengeld.
Beachten Sie bitte Besonderheiten beim Aufhebungsvertrag mit schwerbehinderten Arbeitnehmern.
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Ausführliche Informationen über die Kosten einer anwaltlichen Vertretung erhalten Sie hier:
3. Abfindung im Aufhebungsvertrag aus gesundheitlichen Gründen
Die meisten Aufhebungsverträge enthalten eine Abfindung. Das gilt auch bei Krankheit. Sie müssen allerdings verhandeln.
Chancen auf eine Abfindung
Schlägt der Arbeitgeber den Aufhebungsvertrag selbst vor, stehen die Chancen auf eine Abfindung recht gut. Sind hingegen Sie in erster Linie an der Trennung interessiert, ist eine Abfindung zumindest ohne den Rat eines Fachanwalts für Arbeitsrecht unrealistisch. Nur mit langjähriger Erfahrung auf diesem Feld sind die Verhandlungen regelmäßig von Erfolg gekrönt.
Höhe der Abfindung
Die Höhe der Abfindung ist gesetzlich nicht geregelt und hängt vom Verhandlungsgeschick ab.
In der Praxis hat sich die grobe Faustformel durchgesetzt, dass Abfindungen ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr betragen.
Beispiel: A ist seit 5 Jahren im Betrieb des B beschäftigt und schließt im Zuge eines Burnouts einen Aufhebungsvertrag. Er verdiente zuletzt 5.000 € brutto im Monat. Nach der Faustformel beträgt die Abfindung 0,5 x 5.000 € x 5 Jahre = 12.500 €.
Je nach Fall sind deutlich höhere oder niedrigere Abfindungen möglich!
Maßgeblichen Einfluss hat, wie leicht sich der Arbeitgeber auch ohne Ihre Zustimmung von Ihnen trennen könnte (in Form einer Kündigung). Wenn eine Kündigung ausscheidet, kann er sich nur per Aufhebungsvertrag von Ihnen trennen. Er ist dann also auf Ihre Zustimmung angewiesen, was Sie wiederum von einer hohen Abfindung abhängig machen sollten.
Besonders wichtig in diesem Kontext ist, wie schnell Sie wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren könnten. Dem Arbeitgeber fällt es oft nicht leicht, eine sog. Negativprognose darzulegen. Dies ist jedoch Voraussetzung, um Ihnen einseitig kündigen zu können.
Beispiel: Im Falle einer Kündigung wegen Depression oder eines Burnouts müsste der Arbeitgeber das Gericht davon überzeugen, dass Sie auch in Zukunft regelmäßig ausfallen.
Bisherige Fehlzeiten sind dafür nur ein Indiz. Sie können dieses z.B. mit einem ärztlichen Gutachten entkräften, das die Heilung der Depression oder des Burnouts für wahrscheinlich hält. Dies wird Ihnen besonders gut gelingen, wenn die psychische Erkrankung auf ein einmaliges Ereignis zurückzuführen ist.
Es wurde auch bereits entschieden, dass ein Zeitraum von einem Jahr ohne Ausfälle wegen einer Depression gegen die Zulässigkeit einer Kündigung spricht, selbst wenn der Arzt den Arbeitnehmer noch nicht als geheilt ansieht. Der Betroffene war zuvor 140 Tage wegen der Depression arbeitsunfähig.
Einfluss auf die Höhe der Abfindung hat auch, ob der Arbeitgeber bereits einen Nachfolger für Sie gefunden hat. Dann will er Ihren Arbeitsvertrag möglichst zügig beenden – auch gegen eine hohe Abfindung.
Abfindung reduziert Krankengeld nicht
Wenn Sie eine Abfindung erhalten, wirkt sich das nicht auf Ihr Krankengeld aus.
Ausnahme: Ihr Krankengeld verringert sich, wenn die Abfindung „verstecktes Arbeitsentgelt“ erhält. Das betrifft zum Beispiel Fälle, in denen der Arbeitgeber Ihnen mit der Abfindung rückständigen Arbeitslohn zahlt.
Beispiel: Es steht noch die Auszahlung offenen Lohns aus. Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass dies durch Zahlung einer „Abfindung“ ausgeglichen werden soll. Derjenige Betrag, der dem offenen Lohn entspricht, wird auf das Krankengeld angerechnet.
4. Welche Leistungen erhalte ich nach dem Aufhebungsvertrag?
Ihre finanzielle Versorgung hängt von Ihrer Situation ab:
Wie ist Ihre Situation vor dem Aufhebungsvertrag? | Diese Leistung erhalten Sie nach dem Aufhebungsvertrag: |
---|---|
Sie erhalten bereits Krankengeld. | Sie erhalten weiterhin Krankengeld (insgesamt max. 72 Wochen). Allerdings droht Ihnen eine Sperrzeit. |
Sie sind arbeitsunfähig und Ihr Arbeitgeber zahlt noch Ihr Gehalt (Entgeltfortzahlung). | Der Arbeitgeber zahlt das Gehalt nicht weiter. Ihnen steht Krankengeld zu (insgesamt max. 72 Wochen). Allerdings droht Ihnen eine Sperrzeit. Ausnahme: Der Arbeitgeber muss Sie weiterbezahlen, wenn Ihre Krankheit der Grund für den Aufhebungsvertrag war. Die Weiterbezahlung endet nach sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit. Danach steht Ihnen Krankengeld zu. |
Sie können arbeiten & erhalten keine Zahlungen von Arbeitgeber oder Krankenkasse. | Ihnen steht Arbeitslosengeld I zu (max. 12-24 Monate). Allerdings droht Ihnen eine Sperrzeit. |
Bitte beachten Sie, dass die Tabelle nur auf die gewöhnlichen Umstände eingeht. In einzelnen Fällen können Abweichungen gelten.
5. Sperrzeit beim Arbeitslosengeld & Krankengeld verhindern
Wenn Sie einen Aufhebungsvertrag abschließen, droht Ihnen eine Sperrfrist (offiziell: „Sperrzeit“) von bis zu zwölf Wochen beim Arbeitslosengeld und beim Krankengeld. In der Zeit erhalten Sie keine Zahlungen.
Hier finden Sie weitere Informationen zum Arbeitslosengeld nach einem Aufhebungsvertrag.
Sperrzeit vermeiden
Eine Sperrzeit bleibt Ihnen erspart, wenn Sie einen wichtigen Grund für den Aufhebungsvertrag haben. Sie müssen die Agentur für Arbeit also davon überzeugen, dass Ihnen das Arbeitsverhältnis nicht mehr zumutbar ist.
Diese beiden Fälle sind typisch:
Wichtiger Grund #1: Kündigung wegen Krankheit droht
Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn Sie ohnehin wegen Ihrer Krankheit gekündigt würden.
Sie müssen die Agentur für Arbeit davon überzeugen, dass:
- Ihnen ganz konkret eine Kündigung wegen Ihrer Krankheit droht,
- die Kündigungsfrist nicht umgangen wird,
- Sie als Arbeitnehmer nicht unkündbar waren (z.B. als Betriebsratsmitglied, Schwerbehinderter oder wegen tarifvertraglicher Regelungen) und
- die Abfindung maximal 0,5 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr beträgt (entsprechend § 1a KSchG).
Liegt die Abfindung höher, kann Ihnen dennoch eine Sperrzeit erspart bleiben. Die Agentur für Arbeit prüft dann allerdings, ob die sonst drohende Kündigung wirksam gewesen wäre. Darauf sollten Sie sich nicht verlassen. Zu welchem Ergebnis die Arbeitsagentur kommt, kann am besten ein Fachanwalt für Arbeitsrecht abschätzen.
Wichtiger Grund #2: Arbeit wegen Krankheit unzumutbar
Unter Umständen liegt schon allein wegen Ihrer Krankheit ein wichtiger Grund vor. Dann ist nicht notwendig, dass der Arbeitgeber mit einer krankheitsbedingten Kündigung droht.
Die Anforderungen sind allerdings hoch. Die Arbeitsagentur verlangt erhebliche Beeinträchtigungen und umfangreiche Nachweise.
Das gilt besonders für das Krankengeld und Arbeitslosengeld bei einem Burnout und anderen psychischen Leiden. Diese Gründe haben dazu geführt, dass die Gerichte einen Burnout als wichtigen Grund jeweils ablehnten:
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 3. Juli 2023 – L 7 AL 72/21:
„Grundsätzlich können gesundheitliche Beeinträchtigungen eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses [Anmerkung: z.B. per Aufhebungsvertrag] rechtfertigen. Das ist immer der Fall, wenn diese so schwerwiegend sind, dass die bisherige Beschäftigung nicht mehr ausgeübt werden kann und aus gesundheitlichen Gründen eine andere Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber nicht zumutbar ist […].
Zur Beweisführung geeignet sind insoweit im Zeitpunkt der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses vorliegende, aktuelle ärztliche Befunde, die die geltend gemachte Erkrankung, deren Ausprägungen und deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit sowie die Notwendigkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu dem konkreten, gewählten Zeitpunkt überzeugend darlegen und bestätigen. […]
Auch ein ärztliches Sachverständigengutachten könnte den erforderlichen Beweis nicht erbringen, weil sich ein solches Gutachten allein auf die anamnestischen Angaben des Klägers und seiner Ehefrau stützen könnte. Die von dem Kläger geschilderten gesundheitlichen Auswirkungen haben nach seiner eigenen Darstellung mit der Aufgabe des Arbeitsplatzes schlagartig aufgehört.“
Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. Juni 2016 – L 3 AL 130/14:
„[Die Klägerin] befand sich ausweislich des Befundberichts ihres behandelnden Arztes Dr. C… im Frühjahr 2012 wegen Depressionen und eines Erschöpfungszustands in ärztlicher Behandlung. Zudem war sie in dieser Zeit einige Wochen arbeitsunfähig geschrieben und stand auch aus Sicht ihrer Lehrerkollegen vor einem Zusammenbruch. Die Ursachen hierfür lagen nach den Angaben der Klägerin neben privater Probleme auch in Schwierigkeiten im Umgang mit der Schulklasse und den Eltern der Schüler. […]
Diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen stellen aber nach Auffassung des Senats im Zeitpunkt der Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses keinen wichtigen Grund dar. Denn vor Lösung eines Beschäftigungsverhältnisses ist der Arbeitnehmer vorrangig verpflichtet, mit dem Arbeitgeber bei Vorliegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen zunächst eine Lösung im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses zu finden.
Zwar ist nicht bekannt, ob und in welchem Umfang die Klägerin diesbezüglich an ihren Arbeitgeber herangetreten ist. Allerdings ergibt sich aus den Protokollen des Personalkreises vom 3. Mai 2012 sowie 24. Mai 2012, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen bekannt waren und Lösungen in Form von Entlastungen und Vertretungsregelungen gesucht wurden.
Hierzu gehört auch, dass in der Folge als Lösung die Freistellung ab Herbst mit Urlaubsansprüchen und ab 1. Januar 2013 ein Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses angeboten wurde.“
SG Karlsruhe, Urteil vom 30. Juli 2018 – S 11 AL 4346/17 –:
„Ein wichtiger Grund ergibt sich zur Überzeugung der Kammer vorliegend nicht aus den von dem Kläger vorgebrachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen.[…]
So befindet sich der Kläger einerseits wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen lediglich in ärztlicher Behandlung bei der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. K.. Diese hat in ihrer ärztlichen Stellungnahme (ohne Ausstellungsdatum) ausgeführt, der Kläger leide seit 2012 an einem komplexen Tinnitusleiden, aber auf HNO-ärztlichem Fachgebiet liege keine bedeutsame Einschränkung vor. […]
Der Kläger hat sich entgegen dem Rat der Dr. K. auch nicht bei einem Psychotherapeuten vorgestellt. Vielmehr findet keine fachärztliche Behandlung auf psychiatrischem Fachgebiet statt, was gegen einen entsprechenden Leidensdruck spricht.
Zudem ergibt sich auch anhand der dokumentierten Krankheitszeiten des Klägers (Bl. 45 der Gerichtsakte) kein durchgreifender Anhalt für eine wesentliche Beeinträchtigung, die einen wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe darstellen könnte. So ist der Kläger ausweislich der Arbeitsunfähigkeitszeitenübersicht der Arbeitgeberin im Jahr 2017 lediglich vier Mal für die Dauer von ein bis drei Tagen arbeitsunfähig erkrankt gewesen (23.01.2017 – 25.01.2017, 06.04.2017 – 07.04.2017, 18.04.2017, 02.05.2017 – 04.05.2017). Eine hohe Anzahl von Fehlzeiten, die als Indiz für die vorgebrachten Gesundheitsbeeinträchtigungen sprechen würde, lässt sich nicht feststellen.“
Abfindung nicht verlieren
Neben der Sperrzeit droht Ihnen ein weiteres Risiko beim Arbeitslosengeld (nicht hingegen beim Krankengeld).
Die Abfindung wird unter Umständen auf Ihr ALG angerechnet. Dasselbe gilt, wenn Sie Geld für offenen Resturlaub erhalten. Man spricht in beiden Fällen von der sog. Ruhenszeit.
Mit einer Ruhenszeit müssen Sie allerdings nur rechnen, wenn Sie im Aufhebungsvertrag die Kündigungsfrist nicht einhalten. Gemeint ist, dass Sie ausscheiden, bevor Ihre Kündigungsfrist im Falle einer Kündigung abgelaufen wäre.
6. Resturlaub im Aufhebungsvertrag wegen Krankheit auszahlen lassen
Sie sollten im Aufhebungsvertrag festhalten, dass Ihnen offener Resturlaub ausgezahlt wird. Nach langer Krankheit können Sie oft hohe Beträge für Ihren Resturlaub verlangen!
Sie haben einen Anspruch auf die Auszahlung, wenn Sie Ihren Resturlaub vor Ende des Arbeitsvertrags nicht mehr nehmen können. So ist es meistens, denn schließlich sind Sie ja arbeitsunfähig erkrankt und können deshalb auch keinen Urlaub nehmen.
Ihr Arbeitgeber schuldet Ihnen dann pro Urlaubstag eine „Entschädigung“. Offiziell spricht man von der sog. Urlaubsabgeltung.
Wie viel Resturlaub steht mir zu?
Sie können mindestens die ungenutzten Urlaubstage des laufenden Jahres verwerten. Bei langer Krankheit profitieren Sie außerdem von diesen Besonderheiten:
- Sie sammeln auch während Ihrer Krankheit weiter Urlaubsansprüche an. Leiden Sie z.B. das gesamte Jahr 2024 an einer Depression und sind Sie deshalb arbeitsunfähig, steht Ihnen für 2024 dennoch der volle Urlaubsanspruch zu (bei einer Fünf-Tage-Woche mind. 20 Tage).
- Dieser Urlaubsanspruch geht Ihnen so schnell auch nicht verloren. Im Regelfall verfällt der Urlaubsanspruch eines Jahres an Silvester. Anders ist es, wenn Sie den Urlaub wegen Krankheit im laufenden Jahr nicht nehmen konnten. Dieser Resturlaub steht Ihnen dann weitere 15 Monate zur Verfügung. Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, aus dem der Urlaub stammt. Nicht genutzten Urlaub aus 2023 können Sie also noch bis Ende März 2025 verwerten. Dies ist insbesondere für Langzeiterkrankte wichtig.
Wie viel erhalte ich pro Urlaubstag?
Wie viel Sie für Ihren Resturlaub erhalten, richtet sich grob nach dieser Formel:
(Gesamter Bruttoverdienst der letzten drei Monate x Anzahl Ihrer offenen Urlaubstage)/Anzahl der Arbeitstage in den letzten drei Monaten
Haben Sie in den letzten drei Monaten wegen Krankheit nicht gearbeitet, ist grundsätzlich Ihr Bruttoverdienst aus der Zeit vor Ihrer Arbeitsunfähigkeit maßgeblich. So sieht es jedenfalls das Landesarbeitsgericht Thüringen. Für die Anzahl der Arbeitstage in den letzten drei Monaten kommt es darauf an, wie viel Sie hätten arbeiten müssen, wenn Sie gesund gewesen wären.
Beispiel: Sie sind mehrere Jahre arbeitsunfähig an einer Depression erkrankt. Zuvor hatten Sie 6.000 € brutto pro Monat verdient und fünf Tage die Woche gearbeitet. Ihr Arbeitgeber schlägt Ihnen einen Aufhebungsvertrag wegen Ihrer Depression vor. Ihnen stehen noch 30 offene Urlaubstage zu. Ihre Urlaubsabgeltung berechnet sich – ungefähr – wie folgt:
(18.000 € x 30) / 65 Arbeitstage = 8.307,69 €
Achtung: Diese Erklärungen gelten in erster Linie für den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Tagen/Jahr bei einer Fünf-Tage-Woche. Darüber hinausgehender Urlaub ist sog. vertraglicher Mehrurlaub. Der Arbeits- oder Tarifvertrag kann ausschließen, dass dieser am Ende des Arbeitsvertrags abgegolten wird.
Fazit
- Ein Aufhebungsvertrag wegen Krankheit kann sinnvoll sein, wenn Ihr Krankengeld bald ausläuft oder der Arbeitgeber eine schnelle Trennung möchte.
- Bei guter Verhandlung der Abfindung mit einem Anwalt haben Sie Chancen auf eine attraktive Summe.
- Der Aufhebungsvertrag wegen Krankheit birgt aber auch Risiken: Es droht eine Sperrzeit bei Arbeitslosen- und Krankengeld. Außerdem können Sie den einmal unterzeichneten Aufhebungsvertrag in aller Regel nicht mehr rückgängig machen.
- Eine Abfindung wird nur auf das Krankengeld angerechnet, wenn die Zahlung noch offene Lohnansprüche ausgleicht.
- Sie sollten sich gut überlegen, ob Sie einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen und in jedem Fall einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu Rate ziehen.
Wir beraten Sie.
Rechtsanwalt Georg Gradl ist Experte für Aufhebungsverträge und erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht. Schreiben Sie uns gerne Ihre Fragen per E-Mail oder rufen Sie uns an.
Eine kompetente Erstberatung, die auch die Prüfung Ihrer Unterlagen beinhaltet, bieten wir Ihnen zu einem Pauschalhonorar in Höhe von 250,00 € zzgl. USt. an.
Wenn Sie uns nach einer Erstberatung mit der Übernahme Ihres Falles beauftragen möchten, besprechen wir mit Ihnen vor der Mandatierung selbstverständlich die zu erwartenden weiteren Kosten und die Möglichkeiten einer Kostenübernahme durch eine Rechtsschutzversicherung oder durch den Arbeitgeber.
Georg Gradl, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Autor dieses Beitrags
Dieser Beitrag basiert auf der langjährigen Erfahrung von Rechtsanwalt Georg Gradl. Er berät und vertritt bundesweit Arbeitnehmer bei der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
- Fachanwalt für Arbeitsrecht seit über 20 Jahren
- Experte für Aufhebungsverträge
- Zertifizierter Verhandlungsexperte nach dem Harvard-Konzept®
- Regelmäßige Fortbildungen im Arbeitsrecht
- Zufriedene Mandanten: Seit Jahren Top-Bewertungen bei Google
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