Wenn Sie Informationen über die Höhe Ihrer maximalen Abfindung im Aufhebungsvertrag oder nach einer Kündigung suchen, werden Sie im Internet sehr schnell einige Webseiten finden, die einen sog. Abfindungsrechner als kostenlosen Service anbieten.
Herr Gradl erklärt Ihnen hier, warum ein Abfindungsrechner Ihnen oft nicht weiterhilft. Er ist erfahrener Anwalt für Abfindungen.
Autor: Georg Gradl
Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht in Starnberg
Inhalt
- Abfindungsrechner – was ist das?
- Vier Gründe die gegen Abfindungsrechner sprechen
- Wie kann ich die Abfindung stattdessen berechnen?
- Fazit
1. Abfindungsrechner – was ist das?
Immer mehr Rechtsanwälte, Legal-Tech-Dienstleister oder Rechtsportale bieten ihren Besuchern auf ihren Websites einen sog. Abfindungsrechner als kostenlosen Service an. Dieses Tool soll dem Rechtssuchenden bei einer Kündigung oder einem Aufhebungsvertrag einen schnellen Überblick über die Höhe der zu erwartenden Abfindung geben.
Der Rechner fordert den Besucher der Webseite auf, Daten zu seinem Arbeitsverhältnis in eine Eingabemaske einzugeben. Abgefragt wird insbesondere die Zeitdauer der Beschäftigung sowie das aktuelle Bruttomonatsgehalt. Anschließend nennt der Abfindungsrechner eine Summe, die als voraussichtliche Abfindung ausgewiesen wird.
Es liegt schon in der Natur der Sache, dass ein Abfindungsrechner die individuellen Umstände des Rechtssuchenden nicht berücksichtigen kann, da der Rechner auf Künstlicher Intelligenz basiert und deshalb einen Algorithmus zur Berechnung der Abfindung heranzieht. Genau darin liegt auch der große Nachteil eines Abfindungsrechners. In der Regel greift dieser nämlich auf eine Standardformel zurück, die allenfalls zur groben Orientierung geeignet ist. Vertrauen Sie auf diesen Wert, lassen Sie unter Umständen die Chance auf eine deutlich höhere Abfindung ungenutzt oder gehen im Glauben an eine attraktive Abfindung unüberschaubare Risiken ein.
Um eine rechtlich zuverlässige Prognose abgeben zu können, wird der Algorithmus seiner Berechnung in der Regel 0,5 – 1,0 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr zu Grunde legen. In der Praxis sind jedoch – abhängig von den Umständen des Einzelfalles – Abfindungshöhen zwischen 0,1 und 3,0 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr möglich, in Ausnahmefällen unter Umständen sogar noch mehr. Veranschaulichen möchten wir dies an einem Praxisbeispiel aus unserer Kanzlei:
Unser Mandant (46) war bei seinem Arbeitgeber, der deutschen Tochter eines weltweit tätigen Konzerns mit Sitz in den USA, seit 1,5 Jahren als Senior Director beschäftigt. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt betrug ca. 22.000 €. Der Arbeitgeber wollte sich einvernehmlich von unserem Mandanten trennen und legte ihm einen Aufhebungsvertrag vor, der eine Abfindung in Höhe von ca. 40.000 € brutto vorsah. Das Angebot wirkte auf den ersten Blick sehr großzügig.
Die Mehrzahl der im Internet angebotenen Abfindungsrechner hätten bei dieser Fallkonstellation eine angemessene Abfindung in einem Bereich zwischen 16.500 € und 33.000 € angezeigt.
Da sich der Arbeitgeber in den Verhandlungen aber so eindeutig positioniert hatte, dass für ihn nichts anderes als eine Beendigung des Arbeitsverhältnisse in Betracht kam, konnten wir für unseren Mandanten eine deutlich höhere Abfindung verhandeln. Tatsächlich betrug die vereinbarte Abfindungssumme ca. 170.000 €, was ca. 5,0 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr entspricht.
Warum gibt es dann Abfindungsrechner, wenn die Aussagekraft der Berechnung begrenzt und der Nutzen daher für den Rechtssuchenden eher gering ist?
Dazu muss man wissen, dass der tatsächliche Hauptzweck von Abfindungsrechnern darin besteht, Daten von potentiellen Neumandanten oder -kunden zu erfassen, die über spezielle Legal-Tech-Tools direkt in der Datenbank des jeweiligen Anbieters gespeichert werden können. Dies erleichtert die Arbeitsvorgänge in der Kanzlei, da die Daten nicht mehr manuell von Mitarbeitern eingegeben werden müssen. Darüber hinaus hat der Anbieter so die Möglichkeit schon im Vorfeld lukrative von wirtschaftlich weniger lukrativen Mandaten zu trennen und letztere auszusondern. Letztendlich kann der Rechtssuchende auch durch Aufnahme in einen E-Mail-Verteiler mit Informationen versorgt und näher an den Anbieter gebunden werden.
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2. Vier Gründe die gegen Abfindungsrechner sprechen
Aus diesen Gründen sollten Sie sich nicht auf die Ergebnisse von Abfindungsrechnern verlassen:
Grund 1: Künstliche Intelligenz berücksichtigt Besonderheiten des Einzelfalles nicht
Wie schon erwähnt, nutzen die meisten Abfindungsrechner eine Formel basierend auf dem Algorithmus einer Künstlichen Intelligenz, die in der Praxis nur als grobe Orientierungshilfe dienen kann. Arbeitnehmer sollten sich darauf keinesfalls verlassen.
Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang, dass Ihnen eine Abfindung nicht per se zusteht. Wenn Sie gekündigt werden oder einen Aufhebungsvertrag abschließen, müssen Sie Ihre Abfindung in aller Regel erst einmal aushandeln. Es gibt auch Konstellationen, in denen der Arbeitgeber zu gar keiner Zahlung bereit ist.
Ob Sie einem Aufhebungsvertrag ohne Abfindung zustimmen sollten, stellen wir im verlinkten Beitrag dar.
In vielen Fällen lässt er sich aber auf eine Abfindung ein. Deren Höhe hängt dann vom Verhandlungsgeschick Ihres Rechtsanwalts und vielen weiteren Umständen ab. Dazu zählt z.B.:
- Wie wahrscheinlich ist es, dass das Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam erklären wird? Je eher Sie vor Gericht Recht bekommen, desto höhere Beträge wird der Arbeitgeber zu zahlen bereit sein. Wegen des hohen Kündigungsschutzes in Deutschland befinden Sie sich meist in einer guten Ausgangslage.
- Im Falle eines Aufhebungsvertrages ist es wichtig, die Alternativen des Arbeitgebers richtig einschätzen zu können, d.h. zu wissen, ob der Arbeitgeber sein Angebot evtl. auch wieder zurückziehen wird, falls Ihre Forderung zu hoch ist.
- Wie lange waren Sie für den Arbeitgeber tätig?
- Gibt es einen Sozialplan, der bereits eine Abfindung vorsieht?
- Genießen Sie z.B. besonderen Kündigungsschutz als Schwerbehinderter oder Betriebsrat?
- Einigen Sie sich auf eine Sprinterklausel? Ihre Abfindung erhöht sich dann, wenn Sie das Unternehmen besonders schnell verlassen.
Die Vielzahl der relevanten Aspekte lässt erahnen, wie unterschiedlich das Ergebnis ausfallen kann.
Hinzu kommt: Abfindungsrechner beschränken sich meist auf die Berechnung eines Bruttobetrags. Die Abfindung ist allerdings noch zu versteuern und reduziert sich daher. Für die Berechnung der Steuer kann die sog. Fünftelregelung relevant sein, die Ihre Steuerlast mindern soll. In einigen Fällen ist es aber sinnvoll, von der Anwendung dieser Begünstigung abzusehen. Abfindungsrechner berücksichtigen dies nicht und geben meist nur den Wert unter Anwendung der Fünftelregelung an – wenn sie überhaupt auf das Netto eingehen.
Grund 2: Höhere Abfindung bei kurzen Arbeitsverhältnissen
Gerade bei recht kurz andauernden Arbeitsverhältnissen haben Sie gute Chancen auf eine höhere Abfindung als Abfindungsrechner vorgeben, wie der vorher geschilderte Beispielsfall zeigt.
Arbeitgeber lassen sich auf eine Abfindung ein, um teure und langwierige Prozesse zu vermeiden. Sind Sie nämlich mit Ihrer Klage gegen die Kündigung erfolgreich, muss Ihnen der Arbeitgeber für die gesamte Prozessdauer das Gehalt nachbezahlen und Sie wieder in den Betrieb integrieren. Zahlt er hingegen eine Abfindung, verzichten Sie dafür im Gegenzug auf eine Klage und nehmen so Ihre Entlassung hin. Dies spart dem Arbeitgeber Kosten und steigert seine Planungssicherheit.
Die Kosten, die der Arbeitgeber aufwenden müsste, wenn Sie erfolgreich gegen die Kündigung vorgehen, sind häufig um ein Vielfaches höher. Deshalb sind für Arbeitgeber auch deutlich höhere Abfindungen immer noch wirtschaftlich sinnvoller, als einen Prozess einzugehen.
Vor diesem Hintergrund leuchtet ein, dass Arbeitgeber nach unserer Erfahrung oft bis zu 3,0 Bruttomonatsgehälter pro Beschäftigungsjahr zu zahlen bereit sind.
Grund 3: Sozialplanabfindungen meist höher
Gerade im Zuge eines Stellenabbaus in größeren Unternehmen handeln Arbeitgeber und Betriebsrat oft einen Sozialplan aus. Dieser sieht meist vor, dass den Entlassenen eine Abfindung zusteht. Der genaue Wert, der Ihnen dann gezahlt wird, ergibt sich meist aus einem Punktesystem, das unterschiedliche soziale Kriterien berücksichtigt. In aller Regel führt diese Berechnung zu einem höheren Wert, als Abfindungsrechner vorgeben.
Grund 4: Abfindungsrechner berücksichtigen Sonderkündigungsschutz oft nicht
Besonders gute Chancen auf hohe Abfindungen haben Arbeitnehmer, die sog. Sonderkündigungsschutz genießen. Dies sind insbesondere:
- Betriebsratsmitglieder
- Arbeitnehmer in Elternzeit (mehr zum Aufhebungsvertrag in Elternzeit)
- Schwangere Arbeitnehmerinnen
- Schwerbehinderte
Diesen Personengruppen kann nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen gekündigt werden. Dementsprechend hohe Abfindungen sind Arbeitgeber meist zu zahlen bereit.
Tipp: Befristet angestellte Mitarbeiter können in der Regel nicht ordentlich gekündigt werden. Ist noch eine beträchtliche Laufzeit übrig, dürfen sie ebenfalls auf attraktive Abfindungen hoffen. Auch dies berücksichtigen Abfindungsrechner nicht.
3. Wie kann ich die Abfindung stattdessen berechnen?
So unbefriedigend dies für gekündigte Arbeitnehmer auch sein mag: Im Vorhinein lässt sich in aller Regel nicht eindeutig bestimmen, welche Abfindung sich im Einzelfall erzielen lässt. Wie Sie sehen, hängt das „Ob“ und die Höhe der Zahlung von zahlreichen Umständen und letztlich von Verhandlungen ab.
Genaue Vorhersagen sind daher unseriös.
Nur in wenigen Konstellationen können Sie recht genau bestimmen, was Ihnen zusteht. Dies ist der Fall, wenn
- ein Sozialplan eine eindeutige Berechnungsgrundlage bietet. Selbst dann lohnen sich aber ggf. noch individuelle Nachverhandlungen mit offenem Ergebnis.
- der Tarif- oder Arbeitsvertrag bereits bestimmt, wie viel Ihnen im Falle einer Entlassung zusteht. Gelegentlich ist dies für Führungskräfte vorgesehen.
- das Unternehmen ein Freiwilligenprogramm aufgesetzt hat, in dessen Rahmen Ihnen ein Aufhebungsvertrag mit einer genau definierten Abfindungshöhe angeboten wird. Auch hier kommen aber ggf. individuelle Nachverhandlungen in Betracht.
- der Arbeitgeber Ihnen bereits im Kündigungsschreiben anbietet, ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr zu zahlen, wenn Sie nicht gegen die Kündigung klagen. Hier sollten Sie allerdings ebenso je nach Fall erwägen, ein höheres Angebot zu fordern.
Die präziseste Aussage über eine realistische Abfindungshöhe erhalten Sie von einem erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht, der regelmäßig Abfindungen aushandelt. In aller Regel lässt sich im Laufe des Mandats immer besser konkretisieren, auf welche Summe die Verhandlung wohl hinauslaufen wird.
4. Fazit
- Die Ergebnisse von Abfindungsrechnern spiegeln die Praxis nur selten wider. Im Einzelfall sind deutlich höhere oder niedrigere Werte möglich.
- Dies liegt daran, dass Abfindungsrechner eine Standardformel auf der Grundlage eines Algorithmus verwenden. Tatsächlich hängt die Höhe der Abfindung von vielen Einzelaspekten ab.
- Abfindungsrechner vermitteln den Eindruck, dass Sie stets einen Anspruch auf eine Abfindung hätten. Dies täuscht. Die Zahlung muss in aller Regel erst ausgehandelt werden.
- Um eine verlässliche Aussage über die zu erwartende Abfindung zu erhalten, wenden Sie sich an einen erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht. In den meisten Fällen übernimmt Ihre Rechtsschutzversicherung dessen Kosten.
Wir beraten Sie.
Rechtsanwalt Georg Gradl ist Experte für Aufhebungsverträge und erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht. Schreiben Sie uns gerne Ihre Fragen per E-Mail oder rufen Sie uns an.
Eine kompetente Erstberatung, die auch die Prüfung Ihrer Unterlagen beinhaltet, bieten wir Ihnen zu einem Pauschalhonorar in Höhe von 250,00 € zzgl. USt. an.
Wenn Sie uns nach einer Erstberatung mit der Übernahme Ihres Falles beauftragen möchten, besprechen wir mit Ihnen vor der Mandatierung selbstverständlich die zu erwartenden weiteren Kosten und die Möglichkeiten einer Kostenübernahme durch eine Rechtsschutzversicherung oder durch den Arbeitgeber.
Georg Gradl, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Autor dieses Beitrags
Dieser Beitrag basiert auf der langjährigen Erfahrung von Rechtsanwalt Georg Gradl. Er berät und vertritt bundesweit Arbeitnehmer bei der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
- Fachanwalt für Arbeitsrecht seit über 20 Jahren
- Experte für Aufhebungsverträge
- Zertifizierter Verhandlungsexperte nach dem Harvard-Konzept®
- Regelmäßige Fortbildungen im Arbeitsrecht
- Zufriedene Mandanten: Seit Jahren Top-Bewertungen bei Google
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