Aufhebungsvertrag und Rechtsschutzversicherung

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Die Rechtsschutzversicherung soll Sie vor den Kosten einer rechtlichen Auseinandersetzung schützen. Gerade wenn es um Streitigkeiten mit Ihrem Arbeitgeber geht, ist guter anwaltlicher Rat wichtig. Aber zahlt die Rechtsschutzversicherung auch, wenn Sie außerhalb des Gerichts über einen Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag verhandeln wollen? Diese und andere Fragen beantworten wir im folgenden Beitrag.

Inhalt

  1. Zahlt die Rechtsschutzversicherung für Beratung beim Aufhebungsvertrag?
    a. Arbeitgeber droht mit Kündigung
    b. Einvernehmlicher Aufhebungsvertrag
    c. Welche Kosten übernimmt die Rechtsschutzversicherung? 
  2. Wie können Arbeitnehmer sichergehen, dass die Versicherung zahlt?
  3. Zahlt die Rechtsschutzversicherung bei einem Abwicklungsvertrag?
  4. Vorlage einer Deckungsanfrage für Beratung zum Aufhebungsvertrag
  5. Fazit

1. Zahlt die Rechtsschutzversicherung für Beratung beim Aufhebungsvertrag?

In welchen Fällen eine Rechtsschutzversicherung Anwaltskosten übernimmt, hängt von den Bedingungen in Ihrem Versicherungsvertrag ab. Die meisten Versicherer bieten eine Auswahl von Modulen an, wie zum Beispiel: Mietrecht, Verkehrsrecht, Arbeitsrecht, etc. Wenn Sie auch für Streitfälle mit Ihrem Arbeitgeber abgesichert sein wollen, müssen Sie bei Vertragsschluss das entsprechende Modul auswählen.

Aber selbst wenn Sie das Modul „Berufsrechtsschutz“ gebucht haben, sind nicht immer alle Kosten in diesem Bereich abgedeckt. Denn die Rechtsschutzversicherung soll Sie in erster Linie vor Rechtsstreitigkeiten schützen. Sie übernimmt daher nicht die Kosten sog. vorbeugender Rechtsberatung, wozu z.B. Verhandlungen mit Ihrem Arbeitgeber zählen. Es kommt deshalb darauf an, ob ein sogenannter Rechtsschutzversicherungsfall vorliegt. Ein solcher Versicherungsfall entsteht vor allem dann, wenn eine der Vertragsparteien, also entweder Sie oder Ihr Arbeitgeber, gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßen haben oder ein solcher Verstoß behauptet wird. In den folgenden Fallkonstellationen zeigen wir Ihnen, ob und in welchem Umfang die Rechtsschutzversicherung die Kosten Ihres Rechtsanwalts übernehmen muss.

a. Arbeitgeber droht mit Kündigung 

Oft ist es so, dass der Arbeitgeber mit einer Kündigung droht und den Abschluss eines Aufhebungsvertrag als Alternative zur Vermeidung der Kündigung anbietet. Eine rechtswidrige Kündigung ist eine Pflichtverletzung. Deshalb liegt hier in der Regel ein Versicherungsfall vor – und zwar auch für die Beratung zum Aufhebungsvertag. Entscheidend ist nicht, ob die Kündigung tatsächlich rechtswidrig ist. Genau diese Frage ist ja Grundlage der Streitigkeiten. Es genügt, wenn Sie die Rechtswidrigkeit der Kündigung behaupten. Deshalb ist im Ergebnis auch nicht entscheidend, aus welchem Grund Ihnen der Arbeitgeber kündigen will und ob dieser Grund für eine Kündigung ausreicht.

Beispiel: Arbeitgeber X wirft seinem Mitarbeiter A wiederholtes Zuspätkommen vor. X bietet an, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Er droht mit einer Kündigung für den Fall, dass A nicht unterschreibt. A streitet die Vorwürfe ab und hält die Kündigung deshalb für rechtswidrig. Er möchte aber mit anwaltlicher Unterstützung über den Aufhebungsvertrag verhandeln. Hier kommt es nicht darauf an, ob die Kündigung rechtmäßig wäre. Es genügt, wenn A die Rechtmäßigkeit bestreitet. Die Versicherung wird die Beratungskosten voraussichtlich übernehmen.

b. Einvernehmlicher Aufhebungsvertrag

Wenn Sie mit Ihrem Arbeitgeber einvernehmlich den Arbeitsvertrag aufheben wollen, verstößt niemand gegen Rechtspflichten und ein Versicherungsfall scheidet aus. Beratungskosten müssten Sie hier selbst tragen. 

Achtung: Auch wenn kein Konflikt mit dem Arbeitgeber besteht, sollte der Aufhebungsvertrag von einem erfahrenen Fachanwalt für Arbeitsrecht geprüft werden. Andernfalls bestehen Risiken hinsichtlich des Arbeitslosengeldes (Sperrzeit und Ruhenszeit), des Resturlaubs und des Arbeitszeugnisses. Ohne Unterstützung werden Sie auch keine sonderlich hohe Abfindung erzielen.

c. Welche Kosten übernimmt die Rechtsschutzversicherung?

Liegt ein Versicherungsfall vor, stellt sich die Frage, welche Kosten die Versicherung übernimmt. Nach der Rechtsprechung sind Rechtsschutzversicherer verpflichtet, die Beratungskosten für den Aufhebungsvertrag weitestgehend zu übernehmen. Das gilt auch, wenn Ihr Anwalt für Sie über unstreitige Punkte verhandelt. Viele Aufhebungsverträge enthalten zum Beispiel Regelungen über ein Arbeitszeugnis oder eine Freistellung für die Zeit nach dem Aufhebungsvertrag. Auch wenn diese Punkte nicht streitig sind, stehen sie doch in einer Verbindung zur angedrohten Kündigung und wären in einem Kündigungsschutzprozess ebenfalls mitverhandelt worden. So geht das OLG Saarbrücken richtigerweise davon aus, dass sämtliche Kosten der anwaltlichen Beratung zu übernehmen sind (5 U 719/05-107). Das LG Bremen ist etwas zurückhaltender: 

Beispiel (nach LG Bremen, Urteil v. 30.01.2014, Az. 6 S 148/13): Arbeitgeber C droht seinem Mitarbeiter M mit einer Kündigung und bietet als Alternative einen Aufhebungsvertrag an. Der Vertrag umfasst die folgenden Punkte: Bezahlte Freistellung, Bonusauszahlung, Arbeitszeugnis und „Outplacement-Paket“. Das „Outplacement-Paket“ beinhaltet verschiedene Dienstleistungen (Coaching, Beratung, Unterstützung bei Bewerbungen), die M bei der Suche einer neuen Stelle helfen sollen. Laut der Vereinbarung erhält M eine um 20.000 € höhere Abfindung, wenn er auf das Paket verzichtet. 

Das Gericht verpflichtete die Versicherung in diesem Fall zur Übernahme fast aller Beratungskosten. Ausgeschlossen war allein die Beratung zum „Outplacement-Paket“ sowie ein Teil der Gebühr („Geschäftsgebühr“), die für unstreitige Inhalte angefallen war. Auf alle anderen Punkte hat M einen Anspruch gehabt. 

Die Anwaltskosten setzen sich bei einem Aufhebungsvertrag grundsätzlich aus einer Geschäfts- und einer Einigungsgebühr zusammen. Die genaue Berechnung ist kompliziert. Daher ist es sehr wichtig, dass Sie – mit Hilfe Ihres Anwalts – die Kosten detailliert und präzise gegenüber der Versicherung darlegen. Nur so erreichen Sie am Ende die optimale Kostenübernahme.

Sie benötigen eine individuelle Beratung zu Ihrem Fall?

Ausführliche Informationen über die Kosten einer anwaltlichen Vertretung erhalten Sie hier:

2. Wie können Arbeitnehmer sichergehen, dass die Versicherung zahlt?

Der erste Schritt in der Rechtsberatung durch einen Anwalt ist es immer, von der Versicherung eine sogenannte Deckungszusage zu erhalten. Damit garantiert der Versicherer, die Kosten der Rechtstreitigkeiten zu übernehmen. Damit die Versicherung die Kosten dann auch tatsächlich bezahlt, müssen zudem die entstandenen Kosten belegt werden. Im Ergebnis sind also die folgenden Schritte entscheidend:

  • Der Rechtsschutzversicherung muss detailliert erklärt werden, warum ein Versicherungsfall vorliegt. Hier ist eine taktische Darlegung durch Ihren Anwalt wichtig, um eine Deckungszusage zu erreichen. 
  • Die Kosten müssen richtig und präzise dokumentiert und dargelegt werden. Auch hier hilft es, einen erfahrenen Anwalt für Aufhebungsverträge an Ihrer Seite zu haben.

Es ist außerdem wichtig, dass Sie möglichst alle Dokumente im Zusammenhang mit der Rechtsstreitigkeit aufbewahren. In vielen Fällen wird die Rechtsschutzversicherung Belege verlangen und in einem etwaigen Gerichtsprozess über die Kostenübernahme müssen Sie die Umstände des Versicherungsfalls beweisen können. Besonders wichtig ist, dass Sie eine schriftliche Androhung der Kündigung durch den Arbeitgeber vorweisen können. Denn diese Androhung ist entscheidend in der Begründung für den Versicherungsfall. Es bietet sich an, diese Drohung auch im Aufhebungsvertrag festzuhalten. 

3. Zahlt die Rechtsschutzversicherung bei einem Abwicklungsvertrag?

Der Abwicklungsvertrag regelt inhaltlich weitestgehend dasselbe wie ein Aufhebungsvertrag. Zum Beispiel wird vereinbart, ob Sie freigestellt werden, wie hoch Ihre Abfindung ist, oder wie Ihr Arbeitszeugnis aussehen soll. Der einzige Unterschied ist, dass der Abwicklungsvertrag nach einer schon erklärten Kündigung abgeschlossen wird.

Bei Verhandlungen über einen Abwicklungsvertrag liegt daher grundsätzlich ein Rechtsschutzversicherungsfall vor, wenn der Abwicklungsvertrag nach dem Ausspruch einer Kündigung durch den Arbeitgebers geschlossen wird. Haben Sie das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt und möchten die noch offenen Punkte mit Ihrem Arbeitgeber in einem Abwicklungsvertrag regeln, besteht kein Versicherungsschutz, da eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers in der Regel keinen Versicherungsfall auslöst.

4. Vorlage einer Deckungsanfrage für Beratung zum Aufhebungsvertrag

Es ist sinnvoll, die Rechtsschutzversicherung frühzeitig um eine Deckungszusage zu bitten. Damit bestätigt das Unternehmen, dass es für die Kosten des Anwalts aufkommt. 

Wir haben ein Muster für eine solche Deckungsanfrage erstellt. Diese können Sie gerne kostenfrei nutzen und finden Sie im Download-Bereich unser Webseite . Beachten Sie bitte, dass die Formulierungen an den Einzelfall angepasst werden müssen. 

5. Fazit

  • Welche Bereiche die Rechtsschutzversicherung abdeckt, ist in den Versicherungsbedingungen geregelt. 
  • Eine Kündigung löst einen Versicherungsfall aus, wenn Sie als Arbeitnehmer die Rechtmäßigkeit der Kündigung bestreiten. Ob die Kündigung tatsächlich rechtswidrig ist, ist hier nicht entscheidend.
  • Die Versicherung muss die Kosten im Zusammenhang mit diesem Versicherungsfall übernehmen, insbesondere die Beratungskosten für Aufhebungs- und Abwicklungsverträge.
  • Auch die Beratungskosten bzgl. unstreitiger Punkte (Arbeitszeugnis, Freistellung, etc.) sind abgedeckt, solange sie noch im engeren Zusammenhang mit der Kündigung stehen. Einzig ein Teil der Geschäftsgebühr kann theoretisch bei Ihnen verbleiben. 
  • Ihr Anwalt kann für Sie eine umfassende Kostenübernahme erreichen, indem er den Sachverhalt und die entstandenen Kosten gegenüber der Versicherung präzise und taktisch klug darlegt.
  • Sie sollten eine schriftliche Kündigungsandrohung durch den Arbeitgeber immer aufbewahren und der Versicherung bei Bedarf vorlegen.

Wir beraten Sie.

Rechtsanwalt Georg Gradl ist Experte für Aufhebungsverträge und erfahrener Fachanwalt für Arbeitsrecht. Schreiben Sie uns gerne Ihre Fragen per E-Mail oder rufen Sie uns an.

Eine kompetente Erstberatung, die auch die Prüfung Ihrer Unterlagen beinhaltet, bieten wir Ihnen zu einem Pauschalhonorar in Höhe von 250,00 € zzgl. USt. an.

Wenn Sie uns nach einer Erstberatung mit der Übernahme Ihres Falles beauftragen möchten, besprechen wir mit Ihnen vor der Mandatierung selbstverständlich die zu erwartenden weiteren Kosten und die Möglichkeiten einer Kostenübernahme durch eine Rechtsschutzversicherung oder durch den Arbeitgeber.

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