Schätzungen zufolge hat jeder dritte Arbeitnehmer in Deutschland schon unter Mobbing am Arbeitsplatz gelitten. Immer häufiger kommt es deshalb zur Kündigung wegen Mobbing. Hier erfahren Sie vom Fachanwalt für Arbeitsrecht mehr dazu.
Autor: Georg Gradl
Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht in Starnberg
Inhalt
- Was ist Mobbing am Arbeitsplatz?
- Darf der Arbeitgeber wegen Mobbing kündigen?
- Muss der Arbeitgeber vor der Kündigung eine Abmahnung aussprechen?
- Können Betroffene selbst wegen Mobbing (fristlos) kündigen?
- Erhalten Betroffene Schadensersatz oder Schmerzensgeld wegen Mobbing?
- Fazit
1. Was ist Mobbing am Arbeitsplatz?
Unter Mobbing wird allgemeinhin ein Verhalten verstanden, durch das eine andere Person etwa geärgert, schikaniert, blamiert oder gemieden wird. Nicht jedes derartige Verhalten kann jedoch auch als „Mobbing“ im rechtlichen Sinne qualifiziert werden.
Für die Annahme von Mobbing am Arbeitsplatz stellt das Bundesarbeitsgericht recht hohe Hürden auf. Danach bedeutet Mobbing „das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte“ (vgl. Beschluss vom 15. Januar 1997 – Az. 7 ABR 14/96).
Die Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte hat die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellte Definition weiterentwickelt und versteht unter Mobbing
- fortgesetzte, aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende Verhaltensweisen, die
- der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienen,
- nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung dienen und
- in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen.
Es lässt sich schnell erkennen, dass nicht jede Auseinandersetzung oder Meinungsverschiedenheit zwischen Kollegen oder Vorgesetzten und Mitarbeitern den Begriff des Mobbings erfüllt oder Schadensersatzansprüche auslösen kann. Vor allem stellt nicht bereits jedes nur subjektiv als Mobbing empfundene Verhalten auch tatsächlich Mobbing in diesem Sinne dar. In jedem Fall bedarf es der Abgrenzung zu dem in einem Betrieb im Allgemeinen üblichen oder rechtlich erlaubten und deshalb hinzunehmenden Verhalten.
Die Voraussetzungen „systematisch“ und „fortgesetzt, aufeinander aufbauend“ zeigen, dass einmalige Verhaltensweisen in der Regel nicht ausreichen, um von Mobbing zu sprechen. Trotzdem ist eine bestimmte Mindestlaufzeit oder wöchentliche Mindestfrequenz der Mobbinghandlungen nicht erforderlich.
2. Darf der Arbeitgeber wegen Mobbing kündigen?
Mobbing kann zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses des „Täters“ führen. Denn durch das Mobbing verstößt dieser gegen die arbeitsvertragliche Treuepflicht. Zum einen stört der Mobber durch sein Verhalten den Betriebsfrieden. Zum anderen darf er dem Arbeitgeber keinen Schaden zufügen. Ein Schaden kann für den Arbeitgeber aber daraus entstehen, dass der vom Mobbing betroffene Arbeitnehmer zurecht seine Arbeit verweigert oder das Recht der fristlosen Kündigung mit anschließendem Schadensersatz geltend macht (siehe hierzu unten).
Der Arbeitgeber ist oft nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, dem „Täter“ zu kündigen. Denn der Arbeitgeber hat gegenüber seiner Belegschaft eine Schutz- und Fürsorgepflicht und hat auf die Interessen seiner Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen hat. Das bedeutet, dass es dem Arbeitgeber in Fällen des Mobbings obliegt, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen und gegen den mobbenden Arbeitnehmer vorzugehen.
Ein Hautproblem für den Arbeitgeber wird es jedoch vielfach darstellen, das mobbende Verhalten des Arbeitnehmers konkret nachzuweisen oder überhaupt die mobbende Person ausfindig zu machen, wenn es sich etwa um eine ganze Gruppe von Kollegen handelt, die den betroffenen Arbeitnehmer als „Opfer“ gewählt haben.
In den meisten Fällen sprechen Arbeitgeber eine fristgerechte Kündigung aus. Das Arbeitsverhältnis endet dann also erst nach Ablauf der Kündigungsfrist.
In schwerwiegenden Fällen kommt aber auch eine fristlose Kündigung in Betracht. Diese setzt nach § 626 Abs. 2 BGB immer voraus, dass die Entlassung innerhalb von zwei Wochen nach dem Zeitpunkt ausgesprochen wird, an dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erfährt. Hält der Arbeitgeber diese Ausschlussfrist nicht ein, ist die fristlose Kündigung unwirksam. Dann ist allenfalls noch eine fristgerechte Kündigung möglich. Da es sich beim Mobbing um einen „Dauertatbestand“ handelt, kommt es für die Kündigung auf die Kenntnis des letzten Ereignisses an, das die Schwelle zur Kündbarkeit überschreitet und zum Kündigungsentschluss führt. Dieser Zeitpunkt ist schwer zu bestimmen und bietet Gekündigten daher einen vielversprechenden Verteidigungsansatz.
Achtung: Wenn der Arbeitgeber Ihnen neben einer Kündigung gleichzeitig einen Aufhebungsvertrag vorlegt, unterschreiben Sie nicht voreilig. Sie verzichten sonst auf Ihren Kündigungsschutz und riskieren nach dem Aufhebungsvertrag eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld. Lassen Sie den Aufhebungsvertrag vorher prüfen.
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3. Muss der Arbeitgeber vor der Kündigung eine Abmahnung aussprechen?
Allerdings darf nicht vergessen werden, dass eine Kündigung auch ein besonders „scharfes Schwert“ darstellt und grundsätzlich nur als letztes Mittel eingesetzt werden darf. So verständlich die Interessen des benachteiligten Arbeitnehmers (und des Arbeitgebers) auch sein mögen, ist dem Arbeitgeber die Kündigung des Mobbenden grundsätzlich nur dann möglich, wenn er zuvor gegenüber dem Mobber eine oder mehrere Abmahnungen ausgesprochen hat.
Achtung: Es genügt nicht irgendeine Abmahnung. Vielmehr muss die Abmahnung wegen eines ähnlichen Verstoßes ergangen sein. Wurde der Arbeitnehmer zuvor also z.B. wegen Unpünktlichkeit abgemahnt, spielt dies im Zusammenhang mit dem Mobbing keine Rolle.
Es gibt jedoch auch Fälle, in denen auch ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden kann. Davon ist auszugehen, wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des gemobbten Arbeitnehmers in besonders schwerwiegender Weise verletzt werden. Je intensiver das Mobbing ist, umso schwerwiegender und nachhaltiger wird die Vertrauensgrundlage für die Fortführung des Arbeitsverhältnisses gestört.
Beispiele:
- Eine Mitarbeiterin verbreitet in der Belegschaft das unzutreffende Gerücht, Kollege B sei ein verurteilter Vergewaltiger.
- A schlägt auf den B ein, um ihn zu demütigen.
Vor der Kündigung ist aber auch zu prüfen, ob das Mobbing nicht auch durch andere Mittel vermieden werden kann:
- Daher muss der Arbeitgeber zunächst versuchen, dem gemobbten Arbeitnehmer eine andere Stelle anzubieten, um ihn dem Einflussbereich des Mobbers zu entziehen. Selbstverständlich kommen nur gleichwertige und zumutbare Stellen in Betracht.
- Vor allem muss der Arbeitgeber die Möglichkeit prüfen, den Mobber auf eine andere Stelle zu versetzen.
4. Können Betroffene selbst wegen Mobbing (fristlos) kündigen?
Auch wenn es in der Regel nur fair erscheint, dass das Arbeitsverhältnis des Mobbers gekündigt wird, kann auch der vom Mobbing betroffene Arbeitnehmer ein Interesse daran haben, selbst zu kündigen, um dem Mobbing am Arbeitsplatz zu entgehen. Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis jedoch nur ordentlich kündigen, d.h. er muss die vorgegebene Kündigungsfrist einhalten. Deren Dauer beträgt meist vier Wochen zum Monatsende oder zum 15. eines Monats.
Häufig wird dem Arbeitnehmer aber daran gelegen sein, das Arbeitsverhältnis sofort zu beenden. Ein solches Recht, das Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen, steht dem Arbeitnehmer nur zu, wenn ihm der Verbleib am Arbeitsplatz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich unzumutbar ist. Dabei sind die Interessen des Arbeitnehmers und Arbeitgebers gegeneinander abzuwägen. Außerdem ist die o.g. Zwei-Wochen-Frist einzuhalten. Das Arbeitsverhältnis endet in diesem Fall von einem Tag auf den anderen.
Beispiel: Im Betrieb wurde ein wertvolles Arbeitsgerät entwendet. Der Arbeitgeber teilt der gesamten Belegschaft ohne belastbare Anhaltspunkte mit, dass Arbeitnehmer B den Gegenstand gestohlen habe und Strafanzeige erstattet worden sei. B hat mit der Angelegenheit nichts zu tun und kann deshalb in der Regel fristlos kündigen.
5. Erhalten Betroffene Schadensersatz oder Schmerzensgeld wegen Mobbing?
Kündigt der gemobbte Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis fristlos, hat er gegen den Arbeitgeber eventuell einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB. Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber selbst für das Mobbing verantwortlich ist oder nicht ausreichend gegen die Mobbinghandlungen der Mitarbeiter vorgegangen ist. Der maximale Schadensersatz beträgt die Höhe der Vergütung, die der Arbeitnehmer im Normalfall bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einer fiktiven Kündigung erhalten hätte.
Beispiel: Arbeitnehmer X ist seit 9 Jahren bei Arbeitgeber A beschäftigt und verdient 3.500,00 EUR brutto pro Monat. Aufgrund seiner neunjährigen Betriebszugehörigkeit beträgt die gesetzliche Kündigungsfrist für ihn drei Monate zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 BGB). Arbeitnehmer X wird durch Arbeitnehmer Y systematisch gemobbt. Der Arbeitgeber unternimmt trotz mehrerer Beschwerden nichts gegen die Anfeindungen. Arbeitnehmer X kündigt daher am 30. April sein Arbeitsverhältnis fristlos. X hat gegen seinen vormaligen Arbeitgeber nun grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von bis zu 10.500,00 EUR brutto, da er im Fall einer ordentlichen Kündigung zu Ende Juli noch eine Vergütung in dieser Höhe erhalten hätte.
Daneben kann der gemobbte Arbeitnehmer unter Umständen auch Schmerzensgeld verlangen – und zwar vom Arbeitgeber und vom Mobber. Zwar knüpft die Rechtsprechung hohe Hürden an einen Schmerzensgeldanspruch in Fällen von Mobbing; aufgrund der teilweise gravierenden psychischen und physischen Folgen, unter denen gemobbte Arbeitnehmer leiden, können in schweren Fällen dennoch hohe Schmerzensgelder gerechtfertigt sein. Deren Höhe orientiert sich dabei nicht an dem Monatseinkommen des Geschädigten, sondern an dem Gewicht der Handlungen und der Folgen.
Beispiel: In einem Fall, den das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz im Jahr 2002 zu entscheiden hatte, wurde einem massiv gemobbten Bankdirektor ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.669,00 EUR zugesprochen. Der Mitarbeiter wurde besonders dadurch gedemütigt, dass er trotz seiner Stellung innerhalb des Betriebs der Sekretärin Tätigkeitsnachweise vorlegen musste und seine Arbeit durch ein Vorstandsmitglied als „einzige Katastrophe“ bezeichnet wurde.
6. Fazit
- Unter Mobbing am Arbeitsplatz ist das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte zu verstehen. Dabei muss es sich um fortgesetzte, aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende Verhaltensweisen handeln.
- Mobbing kann zur Kündigung des mobbenden Arbeitnehmers führen. Unter Umständen ist der Arbeitgeber aufgrund seiner Schutz- und Fürsorgepflicht dazu sogar verpflichtet. Eine fristlose Kündigung ist nur innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Mobbings möglich.
- Grundsätzlich ist vor der Kündigung eine Abmahnung auszusprechen oder die Möglichkeit einer Versetzung des Mobbenden oder des gemobbten Arbeitnehmers zu prüfen. Eine Abmahnung ist nur dann nicht erforderlich, wenn das Fehlverhalten des Arbeitnehmers besonders schwer wiegt.
- Auch der vom Mobbing betroffene Arbeitnehmer kann sein Arbeitsverhältnis ordentlich und in schweren Fällen sogar fristlos kündigen.
- Gegebenenfalls hat der vom Mobbing betroffene Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
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Georg Gradl, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Autor dieses Beitrags
Dieser Beitrag basiert auf der langjährigen Erfahrung von Rechtsanwalt Georg Gradl. Er berät und vertritt bundesweit Arbeitnehmer bei der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
- Fachanwalt für Arbeitsrecht seit über 20 Jahren
- Experte für Aufhebungsverträge
- Zertifizierter Verhandlungsexperte nach dem Harvard-Konzept®
- Regelmäßige Fortbildungen im Arbeitsrecht
- Zufriedene Mandanten: Seit Jahren Top-Bewertungen bei Google
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