Massenentlassungsanzeige: Kündigungen bei Air Berlin unwirksam

Foto: Ricardo Gomez Angel on Unsplash

Die Kündigungen des Cockpit-Personals von Air Berlin waren wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam. So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil vom  27. Februar 2020 entschieden. Will ein Arbeitgeber innerhalb kurzer Zeit eine Vielzahl von Mitarbeitern entlassen, muss er zuvor bei der Agentur für Arbeit Anzeige erstatten. Dadurch soll die Arbeitsagentur frühzeitig Maßnahmen ergreifen können, um die entlassenen Mitarbeiter in neue Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Anzeige in dem Bezirk erfolgen, in dem sich die Kündigungen auswirken werden. Deswegen ist die Massenentlassung dort anzuzeigen, wo die entlassenen Mitarbeiter gearbeitet haben, so das BAG.

Anzeigepflicht von Massenentlassungen bei der Agentur für Arbeit

Bevor der Arbeitgeber innerhalb von 30 Tagen eine große Anzahl von Mitarbeitern eines Betriebes entlassen darf, muss er die Massenentlassung schriftlich bei der Agentur für Arbeit anzeigen, § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG).  Wann eine große Anzahl an Entlassungen vorliegt, richtet sich nach der Größe des Betriebs. Bei einem Betrieb mit über 500 Mitarbeitern spricht man beispielsweise ab 30 Kündigungen von einer Massenentlassung. Die Anzeige muss u.a. Angaben über

  1. den Namen des Arbeitgebers,
  2. den Sitz und die Art des Betriebes,
  3. die Gründe für die geplanten Entlassungen
  4. sowie die Berufsgruppen der betroffenen Mitarbeiter enthalten.

Durch die Massenentlassungsanzeige kann die Arbeitsagentur zusammen mit dem Unternehmen und den gekündigten Mitarbeitern Maßnahmen ergreifen, um die drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder zumindest abzumildern.

Zuständig ist dabei die Arbeitsagentur an dem Ort des Betriebs. Ein großes Unternehmen hat meist mehrere Betriebe. Sie sind eigene organisatorische Einheiten. In einem Industrieunternehmen ist zum Beispiel ein Fabrikstandort typischerweise ein eigener Betrieb.

Kommt der Arbeitgeber seiner Anzeigepflicht nicht ordnungsgemäß nach, sind die ausgesprochenen Kündigungen unwirksam. Betroffene sollten dann dringend den Rat eines Anwalts für Arbeitsrecht in Anspruch nehmen.

Natürlich muss der Arbeitgeber auch alle übrigen Voraussetzungen einer Kündigung erfüllen. So ist z.B. auch vor einer Massenentlassung der Betriebsrat anzuhören.

Massenentlassungsanzeige in Berlin statt Köln: Kündigungen bei Air Berlin unwirksam 

Konkret ging es bei der Entscheidung des BAG um die Massenentlassung bei Air Berlin. Die Fluggesellschaft unterhielt an mehreren Flughäfen sogenannte Stationen. Den Stationen war jeweils Personal für die Bereiche Cockpit, Kabine und Boden zugeordnet. Diese Personalgruppen waren in eigenständigen Gewerkschaften organisiert. Nachdem Air Berlin zahlungsunfähig geworden war, wurde dem gesamten Cockpit-Personal gekündigt. Die Massenentlassungsanzeige erfolgte bei der Agentur für Arbeit in Berlin. Ein Pilot des Standorts Köln erhob daraufhin Kündigungsschutzklage. Er begründete seine Klage u.a. damit, dass die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft gewesen sei. In der Revision vor dem BAG hatte der Pilot schließlich mit seiner Klage Erfolg.

Massenentlassungsanzeige am Standort des jeweiligen Betriebs erforderlich 

Das Gericht führte aus, die Massenentlassung müsse am jeweiligen Betriebsstandort der gekündigten Mitarbeiter angezeigt werden. Als Betrieb gelte dabei jedoch nicht etwa das gesamte Cockpit-Personal mit Betriebsstandort Berlin. Vielmehr seien die Stationen an den Flughäfen jeweils eigene Betriebe. Das ergebe sich aus der EU-Massenentlassungsrichtlinie, denn Ziel der Anzeige sei die Ergreifung von Maßnahmen an den Wohnorten der gekündigten Mitarbeiter.

Damit hätte die Entlassung des Piloten bei der Agentur für Arbeit in Köln angezeigt werden müssen. Zudem sei auch für das Kabinen- und Bodenpersonal des Standorts Köln die Arbeitsagentur in Köln zuständig. Die ausgesprochenen Kündigungen seien wegen der fehlerhaften Massenentlassungsanzeige somit unwirksam.

Fazit

Bei Massenentlassungen in Betrieben besteht eine Anzeigepflicht des Arbeitgebers gegenüber der Agentur für Arbeit. Sind verschiede Personalgruppen selbstständig organisiert, arbeiten aber an mehreren Standorten zusammen, ist der Standort als Betrieb zu verstehen, nicht die Personalgruppe. Demnach müssen jeweils Massenentlassungsanzeigen an den Betriebsstandorten erfolgen, wo demnächst die gekündigten Mitarbeiter verschiedener Personalgruppen auf den Arbeitsmarkt strömen werden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27. Februar 2020 – 8 AZR 215/19

War dieser Beitrag für Sie hilfreich?