Wer unter einer Alkoholsucht leidet, muss unter Umständen mit einer Kündigung durch den Arbeitgeber rechnen. Die Voraussetzungen liegen allerdings hoch. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte kürzlich über eine fristlose Kündigung wegen Alkoholsucht zu entscheiden.
Kündigung wegen Alkohol: Abgrenzung zwischen Alkoholmissbrauch und Alkoholsucht
Zunächst ist bei einer Kündigung, die der Arbeitgeber aufgrund von Alkoholkonsum ausspricht, zwischen Missbrauch und Abhängigkeit zu unterscheiden.
Alkoholmissbrauch meint schlicht den übermäßigen Konsum von Alkohol. Eine psychische Abhängigkeit besteht hier nicht. Da es um das Verhalten des Arbeitnehmers geht, kann es in einem solchen Fall zu einer sog. verhaltensbedingten Kündigung kommen. Dies ist nur möglich, wenn der Alkoholkonsum zu Beeinträchtigungen bei der Arbeit führt. Zudem ist grundsätzlich eine vorherige Abmahnung nötig.
Bei der Alkoholsucht besteht eine Abhängigkeit. Die Kündigung erfolgt in diesem Fall krankheitsbedingt. Alternativ kommt natürlich stets ein Aufhebungsvertrag aus gesundheitlichen Gründen in Betracht.
Die Hürden, die der Arbeitgeber dafür nehmen muss, sind hoch. So liegt es an ihm, die Sucht zu beweisen. Außerdem muss er dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben, die Alkoholsucht in den Griff zu bekommen. Das heißt, dass eine Kündigung in der Regel nur ergehen darf, wenn vorangegangene Entwöhnungsversuche keinen Erfolg hatten. Kann der Arbeitnehmer seiner Tätigkeit ganz normal nachgehen, ohne dass die Abhängigkeit Einfluss auf die Arbeitsleistung hat, ist eine Kündigung unzulässig.
Beide Arten der Kündigung ergehen im Normalfall ordentlich, das heißt fristgebunden. Es kann aber auch zu einer fristlosen Kündigung kommen. Dies ist ausnahmsweise dann der Fall, wenn besonders schwerwiegende Umstände vorliegen.
Kündigung wegen jahrelanger Alkoholsucht
Im entschiedenen Fall ging es um eine Verwaltungsangestellte. Bereits mehrere Jahre war sie alkoholabhängig und einer schwerbehinderten Person gleichgestellt. Innerhalb der letzten vier Jahren war sie durchschnittlich 236 Tage pro Jahr krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Wiederholte Therapie- und Entwöhnungsversuche scheiterten. An Gesprächen, die von der betrieblichen Suchthilfe organisiert wurde, nahm sie häufig nicht teil. Darüber hinaus wurde sie stationär im Krankenhaus aufgenommen; insgesamt 16 Mal. Zuletzt, einige Monate vor der Kündigung, hatte ihr Sohn sie wegen Alkoholmissbrauchs in eine Klinik eingeliefert. Die Arbeitgeberin sprach schließlich eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist aus. Zuvor ergingen zwei Abmahnungen. Zudem wurde die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt. Mit einer Klage gegen die Kündigung wehrte sich die Verwaltungsangestellte vor Gericht. Das Arbeitsgericht gab ihr Recht. Anders hingegen das Landesarbeitsgericht (LAG): Es hob das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab.
Fristlose Kündigung aufgrund von Alkoholsucht wirksam
Die Kündigung sei wirksam, erklärte das Landesarbeitsgericht. Bei der Prüfung ging das Gericht in drei Schritten vor. Für eine wirksame Kündigung wegen Alkoholsucht müssen die folgenden drei Stufen erfüllt sein:
- Stufe: Die Erkrankung muss in Zukunft zu Fehlzeiten führen.
- Stufe: Diese müssen die Abläufe im Betrieb stark beeinträchtigen.
- Stufe: Die Arbeitgeberinteressen müssen schwerer wiegen als die der Arbeitnehmerin.
Wegen der enormen Fehlzeiten in der Vergangenheit und der ungünstigen Entwicklung der Alkoholabhängigkeit sei auch zukünftig davon auszugehen, dass die Arbeitnehmerin vergleichbar oft ausfalle (Stufe 1). Ihren Fehlzeiten stören den Betrieb überdies erheblich (Stufe 2). Sie sei zuletzt an weniger als 10% der Arbeitstage erschienen. Für die Arbeitgeberin sei daher völlig unvorhersehbar, ob und wann ihre Arbeitnehmerin wieder mit der Arbeit beginnen könne. Die Abwägung der Interessen falle zugunsten der Arbeitgeberin aus (Stufe 3). So müsse zwar insbesondere dem hohen Alter der Arbeitnehmerin, ihrer lange Betriebszugehörigkeit sowie ihrer Gleichstellung mit einer schwerbehinderten Person Rechnung getragen werden. Zu berücksichtigen sei jedoch auch das Interesse der Arbeitgeberin an einem sinnvollen Arbeitsverhältnis. Dieses sei „sinnentleert“. Die Arbeitgeberin habe de facto nichts von der Beschäftigung. Nicht zuletzt seien der Arbeitnehmerin drei Entwöhnungsmaßnahmen angeboten worden, um so ihre Alkoholsucht zu bewältigen.
Aufgrund der tarif- und arbeitsvertraglichen Bestimmungen war es nicht möglich, der Arbeitnehmerin ordentlich fristgerecht zu kündigen. Die Kündigung erging daher außerordentlich, das heißt ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Diese fristlose Kündigung ist bei Vorliegen besonderer wichtiger Gründe gerechtfertigt. Hier endete das Arbeitsverhältnis allerdings nicht sofort. Die Kündigung war ausnahmsweise verbunden mit einer sog. sozialen Auslauffrist.
Fazit
Das Gericht musste sich hier mit einer schweren Alkoholsucht auseinandersetzen, deren Folgen das Arbeitsverhältnis über lange Zeit erheblich geschädigt haben. Weniger bedrohlich für den Arbeitsplatz sind leichte Formen der Alkoholsucht. Diese sind sehr viel weiter verbreitet und führen grundsätzlich nicht dazu, dass der Arbeitgeber (fristlos) kündigen kann. Betroffene sollten sich von einem Anwalt für Arbeitsrecht beraten lassen.
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.07.2019, Az.: 15 Sa 2498/18.