Häufig werden Überstunden abgebaut, indem der Arbeitnehmer sie „abfeiert“. Endet das Arbeitsverhältnis aber und sind noch Überstunden offen, kann der Arbeitnehmer die Abgeltung seines Zeitguthabens verlangen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied kürzlich, dass dies sogar dann gilt, wenn der Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt wurde. Die Freistellung ist nämlich nicht zwingend als Freizeitausgleich anzusehen. Dafür wäre eine entsprechende Vereinbarung nötig.
Kündigung: Was passiert mit den geleisteten Überstunden?
Bereits geleistete Überstunden müssen entweder vergütet oder durch Freizeit ausgeglichen werden. Welche der zwei Möglichkeiten konkret in Betracht kommt, wird im Arbeits- oder Tarifvertrag geregelt. Gleiches gilt, wenn eine Partei das Arbeitsverhältnis kündigt – auch hier besteht nach wie vor Anspruch auf Überstundenausgleich.
Zu unterscheiden ist aber zwischen der ordentlichen (fristgemäßen) Kündigung sowie der außerordentlichen (fristlosen) Kündigung:
Bei der ordentlichen Kündigung bestehen zwei Möglichkeiten: Entweder der Arbeitnehmer darf die geleisteten Überstunden durch Freizeit ausgleichen, d.h. schon vor Ende der Kündigungsfrist seine Arbeit niederlegen, oder er erhält einen finanziellen Ausgleich, also die Abgeltung seiner geleisteten Überstunden.
Im Fall einer außerordentlichen Kündigung endet das Arbeitsverhältnis unmittelbar am Tag nach Zugang der wirksamen Kündigung. Ein Ausgleich durch Freizeit kommt daher nicht in Betracht. Dem Arbeitnehmer müssen die geleisteten Stunden also in Geld ausgezahlt werden.
Arbeitgeber stellt Arbeitnehmerin frei – muss er die geleisteten Überstunden noch abgelten?
Im entschiedenen Fall ging es um eine Sekretärin, der fristlos gekündigt worden war. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage wurde ein Vergleich geschlossen, der vorsah, dass das Arbeitsverhältnis durch eine fristgerechte Kündigung am 31.01.2017 enden sollte. Außerdem sollte die Arbeitnehmerin bis dahin (vergütet) freigestellt werden. Zu einer Überstundenabgeltung bzw. einem Überstundenausgleich wurde nichts geregelt.
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte die Arbeitnehmerin finanziellen Ausgleich für 67,10 bereits geleistete Überstunden (ca. 1.317€ nebst Zinsen). Damit hatte sie in erster Instanz zunächst Erfolg, wurde vom Landesarbeitsgericht aber abgewiesen.
Arbeitgeber muss geleistete Überstunden trotz Freistellung auszahlen
Nun entschied das BAG. Der Arbeitnehmerin stehe – wie von ihr verlangt – ein finanzieller Ausgleich der geleisteten Überstunden zu. Da die Überstunden nicht während des Arbeitsverhältnisses ausgeglichen worden seien, bestehe nach wie vor ein entsprechender Anspruch. Auch die bezahlte Freistellung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses könne nicht ohne Weiteres als Freizeitausgleich gewertet werden. Solle dies der Fall sein, so müssen dafür klare Anzeichen ersichtlich sein, z.B. eine entsprechende Regelung im Vergleich.
Fazit
Wird ein Arbeitnehmer gekündigt und dann bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt, so werden damit nicht automatisch Überstunden abgebaut. Zum Abbau durch die Freistellung kommt es nur, wenn der Arbeitgeber dies deutlich macht. Ansonsten ist er verpflichtet, die Überstunden durch Freizeit oder in Geld auszugleichen. Ein erfahrener Anwalt für Arbeitsrecht kann Ihnen dabei helfen, Ihre Ansprüche durchzusetzen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 20.11.2019, Az. 5 AZR 578/18.