Es ist ein häufiger Fall in der Arbeitswelt: Ein Arbeitnehmer möchte seine Stelle aufgeben und erklärt die Kündigung weit vor dem Termin, zu dem er den Arbeitsplatz verlassen will. Der Arbeitgeber ist in diesen Fällen gelegentlich daran interessiert, den Arbeitsvertrag schon früher aufzulösen. Allerdings kann er allein wegen der Eigenkündigung des Arbeitnehmers nicht selbst zur Kündigung mit einer kürzeren Frist greifen. So hat das Arbeitsgericht Siegburg mit Urteil vom 17. Juli 2019 entschieden.
Arbeitgeber kündigt wegen Eigenkündigung des Arbeitnehmers
Im entschiedenen Fall war der Arbeitnehmer seit 2016 als Teamleiter bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Im Januar 2019 erklärte er, seine Stelle im April nach einer Kur beenden zu wollen. Seine Eigenkündigung reichte er mit Wirkung zum 15. April 2019 ein.
Jedoch kam ihm die Arbeitgeberin zuvor: Einige Tage nach Einreichung der Kündigung verschickte sie selbst eine Kündigung, allerdings schon mit Wirkung zum 28. Februar 2019. Diese begründete sie mit dem Abkehrwillen des Arbeitnehmers. Dagegen wehrte sich der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht Siegburg mit einer Kündigungsschutzklage.
Kündigung wegen Abkehrwillens nicht gerechtfertigt
Die Kündigungsschutzklage war erfolgreich. Das Arbeitsgericht entschied zugunsten des Arbeitnehmers, dass nur seine Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 15. April beendigt habe. Die Arbeitgeberin habe keinen Grund für eine Kündigung gehabt. Der Abkehrwille allein könne keine Kündigung rechtfertigen. Nur ausnahmsweise sei dies Grund für eine betriebsbedingte Kündigung, wenn der Arbeitsplatz schwer zu besetzen und gerade zum Zeitpunkt der Eigenkündigung eine Ersatzkraft verfügbar sei, diese aber zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr verfügbar wäre. Im vorliegenden Fall hätte die Arbeitgeberin jedoch auf genug eigene Angestellte zurückgreifen können, um die Stelle neu zu besetzen. Außerdem habe sie ausreichend Planungssicherheit gehabt, da ihr der genaue Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Betrieb bekannt gewesen sei.
Fazit
Grundsätzlich muss ein Arbeitnehmer keine frühere Kündigung fürchten, nur weil er mit langer Vorlaufzeit das Arbeitsverhältnis beenden will. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn es für die ansonsten nur schwer zu besetzende Stelle gerade eine Ersatzkraft gibt und diese zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr verfügbar ist. Dabei bezieht sich das Arbeitsgericht Siegburg allerdings auf eine viel kritisierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von 1964 (2 AZR 515/63), die womöglich heute anders ausfallen würde (s. dazu noch unten). Zu beachten ist aber, dass eine verhaltensbedingte Kündigung möglich bleibt. Verletzt der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten, indem er etwa Kunden abwirbt, kann der Arbeitgeber auch früher kündigen. Betroffene sollten dann einen Anwalt für Arbeitsrecht aufsuchen.
Arbeitsgericht Siegburg, Urteil v. 17.07.2019, Az. 3 Ca 500/19
Ergänzende Informationen: Darf der Chef kündigen, weil Sie Ihren Arbeitsplatz verlassen wollen?
Sie können grundsätzlich Ihren Abkehrwillen äußern, ohne eine Kündigung fürchten zu müssen. Die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) umfasst auch die Freiheit, ein bestehendes Arbeitsverhältnis zu beenden. Selbst die Vorbereitung eines neuen Arbeitsverhältnisses bietet grundsätzlich keinen Grund zur Kündigung, außer es wurde ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart oder Sie verletzen arbeitsvertragliche Pflichten. Insbesondere die folgenden Vertragsverletzungen können eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen:
- Aufnahme mit der künftigen Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen
- Verrat von Geschäftsgeheimnissen
- Abwerben von Kunden oder Kollegen
- Verschweigen eines neuen Arbeitvertrags
- Vernichten oder Kopieren von Akten bzw. elektronischer Dokumente beim Arbeitgeber
Unklar ist, ob eine betriebsbedingte Kündigung möglich bleibt, wenn die Stelle nur schwer neu zu besetzen ist. Das Bundesarbeitsgericht entschied zwar, dass in diesem Ausnahmefall eine Kündigung des Arbeitgebers möglich bleibt. Dagegen spricht jedoch, dass der Abkehrwille als Kündigungsgrund aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammt und nicht, wie für eine betriebsbedingte Kündigung erforderlich, aus der des Arbeitgebers.