Betriebsbedingte Kündigung – Tipps für Arbeitnehmer zur erfolgreichen Anfechtung

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Nur ca. 10 % aller von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer gehen gegen die Kündigung mit einer Klage beim Arbeitsgericht vor. Dabei sind die Chancen die betriebsbedingte Kündigung in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren zu Fall zu bringen häufig sehr gut. Die wichtigsten Punkte, die es für Arbeitnehmer zu beachten gilt finden Sie hier.

1. Klagefrist

Eine Kündigung kann nur innerhalb einer Frist von 3 Wochen nach Zugang erfolgreich angefochten werden. Wer sich als Arbeitnehmer gegen eine Kündigung zur Wehr setzen möchte, muss innerhalb dieser Frist Klage beim zuständigen Arbeitsgericht einreichen. Die Klage kann man selbst beim Arbeitsgerichts erheben. Besser ist es aber, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht mit der Klageerhebung zu beauftragen. Erfahrungsgemäß hat ein anwaltlich vertretener Arbeitnehmer im Kündigungsschutzverfahren deutliche bessere Chancen seine Ansprüche erfolgreich durchsetzten zu können. Die Einhaltung der Klagefrist ist besonders wichtig, da auch eine fehlerhafte oder an sich unwirksame Kündigung allein durch das Verstreichen der 3-Wochen-Frist wirksam wird.

2. Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG)

Kündigungsschutz genießen grundsätzlich nur Arbeitnehmer deren aktuelles Arbeitsverhältnis schon länger als 6 Monate besteht und die in einem Betrieb mit mehr als 10 Mitarbeiter (einschließlich des gekündigten Arbeitnehmers) beschäftigt sind. Teilzeitbeschäftigte werden dabei anteilig berücksichtigt. Arbeitnehmer in Kleinbetrieben genießen so gut wie keinen Kündigungsschutz, der Arbeitgeber kann grundsätzlich ohne Grund kündigen, er muss nur die Kündigungsfrist einhalten.

3. Betriebsbedingter Kündigungsgrund

Für eine wirksame Kündigung ist als erstes ein betriebsbedingter Kündigungsgrund erforderlich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ( BAG, 17. Juni 1999 – 2 AZR 456/98 – BAGE 92, 79) kommen dafür außerbetriebliche Ursachen wie (z.B. Auftragsmangel, Umsatzrückgang) oder innerbetriebliche Ursachen (z.B. Rationalisierung, Verlagerung der Produktion ins Ausland, Betriebsstilllegung) in Betracht. Der Grund für die Kündigung muss darüber hinaus „dringend“ sein, also eine Kündigung im Interesse des Unternehmens notwendig machen.

4. Unternehmerische Entscheidung

Liegt einer der Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung vor, ist als nächstes zu prüfen, ob der Unternehmer auch eine entsprechende konkrete Entscheidung getroffen und umgesetzt hat. Wenn dies der Fall ist, kann die Entscheidung vom Gericht nur dahin überprüft werden, ob sie unsachlich, unvernünftig oder willkürlich war. Man spricht hier von einer sog. Missbrauchskontrolle durch die Arbeitsgerichte. Viele Kündigungen scheitern an diesem Prüfungspunkt, da die Betriebe die Anforderungen der Arbeitsgerichte an die Darlegungs- und Beweislast unterschätzen. Der Arbeitgeber muss unter konkreter Vorlage von Zahlen, Daten und Fakten seine Unternehmerentscheidung und deren Umsetzung nachvollziehbar begründen und belegen.

5. Kausaler Wegfall des Weiterbeschäftigungsbedürfnisses

In einem nächsten Schritt ist dann zu fragen, ob nach der Umsetzung der nicht offensichtlich unsachlichen oder willkürlichen Unternehmerentscheidung das Bedürfnis der Weiterbeschäftigung tatsächlich weggefallen ist. Nach dem Grundsatz der ultima ratio, d.h. dass eine Kündigung immer nur die letzte mögliche Massnahme sein darf, hat der Unternehmer zu prüfen, ob die Kündigung durch Einsatz des Arbeitnehmers auf einem freien anderen Arbeitsplatz vermieden werden kann.

6. Dringlichkeit der Kündigung

In diesem Prüfungsschritt ist zu fragen, ob die Kündigung durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet  (z.B. Umschulung, Kurzarbeit, Überstundenabbau) vermieden werden kann. Vor dem Ausspruch einer Beendigungskündigung muss immer auch geprüft werden, ob nicht eine Änderungskündigung als mildere Massnahme auch ausreichend gewesen wäre

7. Sozialauswahl

Hat es das Unternehmen bis hierher geschafft, seine Kündigung nachvollziehbar zu begründen, ist in einem letzten Prüfungsschritt noch zu prüfen,  ob vor der Kündigung eine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt wurde. Der Arbeitgeber muss die Sozialdaten des zu kündigenden Arbeitnehmers, und zwar Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und eine mögliche Schwerbehinderung mit den Sozialdaten von anderen  Arbeitnehmern, die eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit, wie der zu kündigende Arbeitnehmer ausüben vergleichen. Gekündigt werden darf nur der Arbeitnehmer, der nach einer Gesamtabwägung den geringeren sozialen Schutz genießt.

8. Formale Kriterien

Eine Kündigung kann aber auch schon bei formalen Fehlern, wie Verstöße gegen Schriftform- und Zustellungserfordernis unwirksam sein. Was hier genau zu beachten ist, wird in einem späteren Beitrag ausführlicher behandelt.

Die Prüfung, ob eine betriebsbedingte Kündigung möglich oder wirksam ist, muss in jedem Fall individuell vorgenommen werden und setzt viel Erfahrung und Fachwissen voraus. Die Kündigung ist nur dann wirksam, wenn alle geschilderten Kriterien beachtet wurden. Da hierbei viele Fehler passieren können, lohnt es sich für Arbeitnehmer in jedem Fall eine betriebsbedingte Kündigung beim Fachanwalt für Arbeitsrecht überprüfen zu lassen.

Georg Gradl
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

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