Pflicht zur Anhörung des Betriebsrats vor Massenentlassung

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Vor jeder Kündigung muss der Arbeitgeber den Betriebsrat anhören. Das gilt selbstverständlich auch bei Massenentlassungen. Für die Anhörung reichen Gespräche über einen Interessenausgleich nicht aus. Der Betriebsrat muss klar erkennen können, wann der Arbeitgeber die Anhörung durchführt. So urteilten die Richter des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm am 22.01.2020.

Anhörungspflicht vor betriebsbedingten Kündigungen

Durch die Anhörungspflicht soll dem Betriebsrat Gelegenheit gegeben werden, zur Kündigung eines Arbeitnehmers Stellung zu nehmen. Hält er die ordentliche Kündigung für nicht gerechtfertigt, kann er ihr innerhalb einer Woche widersprechen. Dies führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Der Arbeitnehmer erhält jedoch das Recht, bis zum Ende eines Kündigungsschutzprozesses beim Arbeitgeber beschäftigt zu bleiben.

Kommt der Arbeitgeber seiner in § 102 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) festgelegten Anhörungspflicht nicht oder nicht ordnungsgemäß nach, ist die Kündigung unwirksam.

Massiver Auftragsverlust führt zu Massenentlassungen

Im Januar 2019 hatte der Automobilzulieferer TWB Hagen rund 300 von ca. 460 Beschäftigten gekündigt. Grund dafür war der Wegfall einer der Hauptkunden, der Volkswagen AG. Gegen diese Kündigungen setzten sich die Arbeitnehmer zur Wehr. Nachdem sie in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Hagen erfolgreich waren, hatte die Arbeitgeberin Berufung beim LAG Hamm eingelegt. Dieses erklärte nun die erste dieser Kündigungen aus formellen Gründen für unwirksam. Weitere Verfahren werden folgen.

Verhandlung mit dem Betriebsrat über Interessenausgleich ist keine Anhörung 

Nach dem LAG Hamm sei die zu jeder einzelnen Kündigung erforderliche Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden. Die hinsichtlich des Interessenausgleichs geführten Verhandlungen seien nicht als Anhörung zu verstehen. Wann oder mit welchem Sachstand eine Anhörung stattgefunden habe, hätte der Betriebsrat nicht erkennen können oder müssen. Dem Betriebsrat bleibe nach der Anhörung nur eine Woche, um Widerspruch einzulegen. Aus diesem Grund müsse Klarheit darüber herrschen, wann und mit welchem Inhalt eine Anhörung eingeleitet werde.

Fazit

Der Betriebsrat ist auch vor Massenanlassungen ordnungsgemäß anzuhören. Dabei muss für ihn klar erkennbar sein, wann die Anhörung beginnt. Bei Gesprächen über einen Interessenausgleich ist dies nicht immer der Fall. Die Folge einer nicht ordnungsgemäß eingeleiteten Anhörung ist dann die Unwirksamkeit der Kündigung. Mit einem erfahrenen Anwalt für Arbeitsrecht lässt sich dagegen vorgehen.

Kann der Arbeitgeber die Kündigung dann aber nicht einfach erneut aussprechen, nur diesmal einschließlich einer ordnungsgemäßen Anhörung? Ja, das kann er. Im vorliegenden Fall ist dies auch geschehen. Allerdings endet das Arbeitsverhältnis dann erst nach der zweiten Kündigung. Der Arbeitnehmer erhält unterdessen also weiter seinen Lohn und die Kündigungsfristen beginnen neu zu laufen. Je nach Ablauf der Gerichtsverhandlungen kann sich dieser Zeitraum über mehrere Monate erstrecken.

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil v. 22.01.2020, Az. 3 Sa 1194/19.

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