Anfechtung eines Aufhebungsvertrages wegen Verletzung des Gebots fairen Verhandelns

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Die Anfechtung eines Aufhebungsvertrages durch den Arbeitnehmer ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, wenn der Arbeitgeber bei Abschluss des Aufhebungsvertrags das Gebot fairen Verhandelns verletzt hat. Der Arbeitnehmer kann sich dann einseitig vom Aufhebungsvertrag lösen und verlangen, dass das Arbeitsverhältnis fortgeführt wird. Das Gebot zum fairen Verhandeln ist zum Beispiel missachtet, wenn der Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Schwäche des Arbeitnehmers bei den Verhandlungen ausnutzt. So hat das Bundesarbeitsgericht am 7. Februar 2019 entschieden.

Zum Hintergrund: Anfechtung eines Aufhebungsvertrages

Ist ein Aufhebungsvertrag einmal geschlossen, kann er nur in wenigen gesetzlich festgelegten Fällen beseitigt werden. Er beendet das Arbeitsverhältnis in der Regel also unwiderruflich. Deshalb ist es besonders wichtig, den Aufhebungsvertrag im Vorhinein mit einem erfahrenen Anwalt für Aufhebungsverträge zu besprechen.

Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer allerdings arglistig getäuscht oder widerrechtlich bedroht, kann der Arbeitnehmer den Vertrag anfechten. Auch bei einem Irrtum über Tatsachen ist dies der Fall. Der Arbeitnehmer muss jedoch beweisen können, dass diese Umstände tatsächlich vorliegen. Zur Anfechtung berechtigt ist der Arbeitnehmer etwa, wenn der Arbeitgeber ihm vortäuscht, der Betrieb werde geschlossen oder ihm mit einer völlig unberechtigten Kündigung droht.

In der Diskussion ist immer wieder, ob Arbeitnehmer sich auch auf ihre Verbraucherrechte berufen und den Aufhebungsvertrag per Widerruf beseitigen können. Dieses Recht wäre innerhalb der gesetzlichen Frist an keine Voraussetzungen gebunden. Das Bundesarbeitsgericht erteilt dem hier allerdings eine Absage. In seinem Urteil widmet sich das BAG aber erstmals einem weiteren Auflösungsgrund.

Zum Sachverhalt: Abschluss eines Aufhebungsvertrags in Wohnung der Arbeitnehmerin

Die Arbeitnehmerin war bei der Arbeitgeberin als Reinigungskraft beschäftigt. Eines Tages wurde ihr ein Aufhebungsvertrag angetragen. Dieser sah vor, dass das Arbeitsverhältnis sofort und ohne Abfindung enden sollte. Der genaue Ablauf der Verhandlungen als auch der Anlass sind zwischen Arbeitnehmerin und Arbeitgeberin umstritten. Jedenfalls wurde der Vertrag in der Wohnung der Arbeitnehmerin abgeschlossen. Die Arbeitnehmerin gab vor Gericht an, dass sie an diesem Tag erkrankt gewesen sei.

In der Folgezeit versuchte die Arbeitnehmerin, sich von dem Vertrag zu lösen. Sie erklärte die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, widerrechtlicher Drohung und Irrtums. Sollte dies nicht zum Erfolg führen, erklärte sie zudem den Widerruf im Sinne des Verbraucherrechts.

Die Arbeitgeberin sah den Vertrag dennoch als gültig an. Folglich klagte die Arbeitnehmerin vor dem Arbeitsgericht.

Zur Entscheidung: Gebot des fairen Verhandelns verletzt

Das Bundesarbeitsgericht entschied in letzter Instanz teilweise zugunsten der Arbeitnehmerin.

Zunächst entschied es jedoch, dass der Aufhebungsvertrag nicht durch die Anfechtung oder den Widerruf der Arbeitnehmerin aufgelöst worden sei. Die Anfechtung scheitere daran, dass die Arbeitnehmerin nicht habe darlegen können, dass sie tatsächlich geirrt oder arglistig getäuscht bzw. widerrechtlich bedroht worden sei.

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers sei schon gar nicht auf Aufhebungsverträge anwendbar. Zwar sei die Arbeitnehmerin Verbraucherin. Allerdings sei dem Willen des Gesetzgebers zu entnehmen, dass ihr das Widerrufsrecht im Rahmen von Aufhebungsverträgen nicht zustehen solle.

Allerdings hielten die Richter es nicht für ausgeschlossen, dass die Arbeitgeberin das sog. Gebot fairen Verhandelns bei der Verhandlung über den Aufhebungsvertrag verletzt habe. Sollte dies der Fall sein, könne die Arbeitnehmerin sich im Wege des Schadensersatzes vom Aufhebungsvertrag lösen. Das Gebot fairen Verhandelns sei eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Diese sei verletzt, wenn die Arbeitgeberin eine psychische Drucksituation schaffe, die eine freie und überlegte Entscheidung der Arbeitnehmerin erheblich erschwere. Wegen des Vortrags der Arbeitnehmerin, sie sei am Tag der Verhandlung erkrankt, könne dies hier anzunehmen sein.

Das Bundesarbeitsgericht verwies die Sache daher zurück an das Landesarbeitsgericht. Dieses wird nun feststellen müssen, ob die behauptete Erkrankung der Arbeitnehmerin eine Drucksituation geschaffen hat, die ihre Willensfreiheit hinreichend beeinträchtigt hat. Sollte dies der Fall sein, kann sich die Arbeitnehmerin vom Aufhebungsvertrag lösen.

Fazit

Das BAG erleichtert mit der Erwähnung des Gebots fairen Verhandelns Arbeitnehmern die Lösung von einem unfairen Aufhebungsvertrag und verpflichtet Arbeitgeber zu fairen Verhandlungen. Insbesondere dürfen sie keine Drucksituationen schaffen. Gerade für Arbeitnehmer, die beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages überrumpelt wurden, kann dies eine Möglichkeit eröffnen, die Konditionen ihres Ausscheidens mit fachkundiger Hilfe eines Anwalts für Arbeitsrecht nochmal neu zu verhandeln.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Februar 2019 – 6 AZR 75/18

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